Sicherheitsbausteine/Crowd Management/Flächennutzung: Unterschied zwischen den Versionen
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==Hinführung zum Thema== | |||
Eine rein quantitative Betrachtung von Flächen– etwa aufgrund baurodnungsrechtlicher Vorgaben z.B. der Musterversammlungsstättenverordnung – reicht oftmals nicht aus, die „Angemessenheit“ einer Fläche zu bewerten. Im Rahmen eines Crowd Management Ansatzes, der den Besucher und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt der Betrachtungen stellt, sind immer auch Fragen nach der Nutzung des Platzes sowohl in räumlicher als auch in zeitlicher Hinsicht zu stellen sowie Wechselwirkungen mit anderen Flächen zu betrachten. | |||
==Einleitung== | ==Einleitung== | ||
Verkehrs- und Bewegungsflächen für Fußgänger sind meist multiplen Nutzungsarten unterworfen – dies gilt auch für Flächen für die Besucher von Konzerten. Plätze, Gehwege, Ein- & Ausgangsbereiche in Gebäude, Kreuzungen, Flächen vor Bühnen / an Bierständen / an Ein- & Auslassbereichen werden von Personen in unterschiedlichen Dichten und Frequenzen mit unterschiedlichen Zielen und Aufenthaltsdauern genutzt. Einzeln oder in Gruppen werden diese Flächen multidirektional betreten, überquert und verlassen. Gleichzeitig werden die Flächen auch als Wartebereiche oder Treffpunkte genutzt, sowie zum Schlange stehen, kommunizieren oder orientieren. Um die Angemessenheit einer Fläche zu beurteilen, ist es daher im Rahmen der Sicherheitsplanung von Bedeutung, sich über die quantitative Betrachtung hinaus Gedanken über die Nutzung und den Anspruch des Besuchers an die Nutzung zu machen. | Verkehrs- und Bewegungsflächen für Fußgänger sind meist multiplen Nutzungsarten unterworfen – dies gilt auch für Flächen für die Besucher von Konzerten. Plätze, Gehwege, Ein- & Ausgangsbereiche in Gebäude, Kreuzungen, Flächen vor Bühnen / an Bierständen / an Ein- & Auslassbereichen werden von Personen in unterschiedlichen Dichten und Frequenzen mit unterschiedlichen Zielen und Aufenthaltsdauern genutzt. Einzeln oder in Gruppen werden diese Flächen multidirektional betreten, überquert und verlassen. Gleichzeitig werden die Flächen auch als Wartebereiche oder Treffpunkte genutzt, sowie zum Schlange stehen, kommunizieren oder orientieren. Um die Angemessenheit einer Fläche zu beurteilen, ist es daher im Rahmen der Sicherheitsplanung von Bedeutung, sich über die quantitative Betrachtung hinaus Gedanken über die Nutzung und den Anspruch des Besuchers an die Nutzung zu machen. | ||
==Gesetzliche Grundlagen== | ==Gesetzliche Grundlagen== | ||
Die Musterversammlungsstättenverordnung | Die Musterversammlungsstättenverordnung [http://www.bauministerkonferenz.de/verzeichnis.aspx?id=991&o=759O986O991] macht keine Vorgaben, was eine "sichere" Belegung einer Fläche ist, in § 1 werden lediglich für den Fall, dass keinen Informationen über genehmigte Kapazitäten vorliegen, Aussagen getroffen, die sich jedoch immer auf die Gesamtkapazität in Bezug auf die zur Verfügung stehende Fläche und - in Verbindung mit § 6 der Verordnung - auf die Breite der zur Verfügung stehenden Fluchtwege bezieht. | ||
Das Einhalten der genehmigten Kapazitäten ist nicht per se eine Garant für eine sichere oder gleichmäßige Belegung und / oder Nutzung der Flächen – sichergestellt wird lediglich, dass die Breite der Fluchtwege ausreichend für die sich auf der Fläche befindlichen Personen ist. | |||
= | ==Kapazität, Verteilung, Dichte, Nutzung== | ||
[[Datei:flaechennutzung01.jpg|thumb|Die Belegung einer Veranstaltungsfläche ist selten einheitlich. Neben Flächen mit hohen Dichten finden sich meist Flächen, die nur "locker" belegt sind. Photo: Rheinkultur GmbH / Marc Nowak]]Die (genehmigte) Gesamtpersonenzahl hat nicht unmittelbar etwas mit der tatsächlichen Flächennutzung, der Verteilung und der Personendichte zu tun - sie zielt auf das Vorhandensein ausreichender Fluchtwege. | |||
Bei einer genehmigten Kapazität von 2 Pers / qm wird es auf den meisten Flächen Bereiche geben, auf denen sich 5 Pers/qm aufhalten und Bereiche, in denen die Dichte nur 0,5 Pers/qm beträgt – abhängig von von der Lage und der Funktion der Fläche oder der dort verorteten Einrichtungen, Sichtlinien, Attraktionen, Aufbauten etc. Diese Verteilung wird sich in den meisten Fällen innerhalb des Veranstaltungszeitraumes mehrfach ändern. | |||
Im Rahmen der Sicherheitsplanung sind also folgende Fragen zu stellen: | |||
*was ist die Kapazität einer Fläche: wie viele Menschen passen auf die zur Verfügung stehende Fläche (basierend auf den zugrundeliegenden Schutzzielen und der der Fläche zugeteilten Funktion) | |||
*wie ist die Verteilung auf der Fläche: wie sind die optimalen Belegungsdichten für die geplante Nutzung der Fläche? Wie verteilen sich die Besucher auf der Fläche? Gleichmäßig oder ungleichmäßig über die gesamte Fläche? Gleichmäßig oder ungleichmäßig über den gesamten Veranstaltungszeitraum? | |||
*Dichte: entstehen durch die Verteilung und die Nutzung Bereiche mit besonderen Personendichten? Treten diese immer auf oder nur temporär? | |||
*Nutzung: wie wird die Fläche genutzt? Von wem? Als Transferfläche oder als Wartefläche, Aufenthaltsfläche, multifunktionale Nutzung (evt. mit unterschiedlichen Nutzern?)? | |||
[[Datei:flaechennutzung02.jpg|thumb|Hohe Dichten, mittelere Dichten, keine Dichten: auf den meisten Veranstaltungsgeländen finden sich alle Ausprägungen der Flächenbelegung. Wichtig ist, dass insgesamt ausreichende Flucht & Rettungswege zur Verfügung stehen und dass eine Einsatz- und Ausweichmöglichkeit auch in Bereichen mit hohen Dichten gegeben ist. Photo: Rheinkultur GmbH / Marc Nowak]] | |||
[[Datei:flaechennutzung03.jpg|thumb|Je nach Blickwinkel und Lichtverhältnissen ist es unmöglich, Dichten abzuschätzen. Ist kein (möglichst) senkrechter Blick auf die Besuchermenge möglich, helfen Lagemeldungen aus dem Gelände selbst, das Bild zu ergänzen. Gemeldete Dichten sollten regelmäßig mit den angenommenen Dichten im Rahmen der Flächenplanung abgeglichen werden. Photo: Rheinkultur GmbH / Marc Nowak]] | |||
[[Datei:flaechennutzung04.jpg|thumb|Photo: Rheinkultur GmbH / Marc Nowak]] | |||
[[Datei:flaechennutzung05.jpg|thumb|Photo: Rheinkultur GmbH / Marc Nowak]] | |||
[[Datei:flaechennutzung06.jpg|thumb|Photo: Rheinkultur GmbH / Marc Nowak]] | |||
==Kapazität== | ===Kapazität=== | ||
Die Frage nach der Kapazität einer Fläche lässt sich nicht immer einfach beantworten. | |||
Dort, wo genehmigte Kapazitäten bereits vorliegen, sind diese einzuhalten - zumeist basieren diese Angaben auf der Vorgabe gemäß Musterversammlungsstättenverordnung § 1 (2 Pers /qm für den Besucher nutzbare Fläche). | |||
Die Gesamtkapazität ist jedoch nicht unbedingt gleichzusetzen mit der Kapazität bestimmter Bereiche - ggfs. ist es nötig, innerhalb der genehmigten Gesamtkapazität noch Kapazitäten für bestimmte Veranstaltungsbereiche festzulegen. | |||
Das Festlegen einer Kapazität bedeutet immer auch die Kontrolle dieser Kapazität verbunden mit möglichen Zugangssperren und Umleitungen. | |||
==Verteilung== | ===Verteilung=== | ||
Ist die Kapazität insbesondere wichtig in Bezug auf die zur Verfügung stehenden Fluchtwege, ist im Rahmen des crowd managemengt vor allem die Verteilung der Besucher von Bedeutung. Im Rahmen der Sicherheitsplanung muss die (angenommene) Verteilung der Besucher berücksichtigt werden - dies beinhaltet Laufwege genauso wie Aufenthaltsflächen. Um Flächen, Informationen und auch personellen Einsatz planen zu können, ist es wichtig zu wissen, wo sich die Besucher auf dem Gelände aufhalten und wie sie dort hinkommen. Es ist wichtig zu wissen, ib die Verteilung einmalig bzw. dauerhaft ist (z.B. bei einem Einzelkonzert) oder ob es zu einem ggf sogar mehrfachen Wechsel der Verteilung kommt (z.B. bei Veranstaltungen mit meheren Bühnen, Programmpunkten). Die Verteilung ist dabei wichtig, um zu erkennen, ob die jeweiligen kapazitäen ausreichen, aber auch, um die ggf. auftretenden personenströme angemessen lenken zu können. | |||
==Dichte== | ===Dichte=== | ||
Auch die Dichte, d.h., die Frage, wieviele Menschen z.B. auf einem Qudratmeter stehen, ist ein relevanter Faktor der Sicherheitsplanung. Auch die Dichte hat nur bedingt etwas mit der Gesamtkapazität der Fläche zu tun - hohe Dichten können vollkommen unabhängig von der Gesamtkapazität auftreten, z.B. vor Bühnen, an einer besonderen Attraktion etc. | |||
Wie diese Dichte zu bewerten ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab | |||
* tritt die Dichte lokal begrenzt auf und stehen ausreichende Entlastungsflächen zur Verfügung | |||
* ist die Dichte selbst gewählt (z.B. vor einer Bühne) | |||
* Sind Möglichkeiten gegeben, auch innerhalb der Dichte auf Besucher einwirken zu könne, diesen helfen zu können etc.? | |||
==Nutzung== | ===Nutzung=== | ||
Im Mittelpunkt der Betrachtung steht dabei die Frage, wie Flächen genutzt werden (wie? von wem? wie lange? etc) und was für die sichere Nutzung der Flächen - immer in Bezug auf den erwarteten Besucher - nötig ist. | Im Mittelpunkt der Betrachtung steht dabei die Frage, wie Flächen genutzt werden (wie? von wem? wie lange? etc) und was für die sichere Nutzung der Flächen - immer in Bezug auf den erwarteten Besucher - nötig ist. | ||
Zu berücksichtigen sind dabei insbesondere die folgenden Faktoren: | |||
* | * Wege und Richtungen: welche Wege nehmen die Besucher? Aus welchen Richtungen kommen sie ( in welche Richtungen gehen sie (gleichzeitig und nacheinander) | ||
* | * genutzte Flächen: welche Flächen werden wann, wie lange mit welcher Intensität genutzt? | ||
* | * Bewegung auf der Fläche: wie werden die Flächen genutzt : stehen die Besucher vorrangig (z.B. vor einer Bühne) oder gehen sie ? Wenn sie gehen: ist das gehen der Hauptnutzungszweck (z.B. das Schlendern uüber einen Markt) oder dient es nur dem Erreichen des eigentlichen Zieles ? | ||
* | * Nutzerprofil: wer sind die Nutzer der Fläche und Wege? Welche Besonderhgeiten ergeben sich ggfs. aus dem Profil der Besucher? | ||
Im Englische wird diese Übersicht abgekürzt mit der Bezeichnung RAMP: Routes - Areas - Movement - Profile (vgl [3] S. 122ff) | |||
==Flächennutzung bei Veranstaltungen: Level of Quality== | |||
In Anlehnung an Fruins Level of Service (LOS) (vgl [2] S. 71 ff)ergibt sich in Bezug auf die Flächennutzung ein Level of Quality (LOQ) – also eine Beurteilung der Fläche in Bezug auf die Erfüllung der Bedarfe der Besucher. | |||
*A - Ungestörtes Seh- & Hörempfinden in Bezug auf das Bühnengeschehen, Personendichten max LOS C (alternative Platzwahl nicht notwendig) | *A - Ungestörtes Seh- & Hörempfinden in Bezug auf das Bühnengeschehen, Personendichten max LOS C (alternative Platzwahl nicht notwendig) | ||
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*E- Stark gestörtes Seh- & Hörempfinden in Bezug auf das Bühnengeschehen, | *E- Stark gestörtes Seh- & Hörempfinden in Bezug auf das Bühnengeschehen, | ||
*F- Ausfall mindestens einer Wahrnehmungsart (Hören / Sehen) in Bezug auf das Bühnengeschehen | *F- Ausfall mindestens einer Wahrnehmungsart (Hören / Sehen) in Bezug auf das Bühnengeschehen | ||
Ein Level of Quality A ist bei Konzerten insbesondere im vorderen Bereich nicht zu finden – dies entspricht in den meisten Fällen auch nicht dem Wunsch nach einem „guten“ Konzerterlebnis. | Ein Level of Quality A ist bei Konzerten insbesondere im vorderen Bereich nicht zu finden – dies entspricht in den meisten Fällen auch nicht dem Wunsch nach einem „guten“ Konzerterlebnis. | ||
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Veranstaltungsspezifisch sind insbesondere zusätzliche Bühnenanbauten (Stege) und die Anordnung der Getränkestände bestimmende Faktoren für die zur Verfügung stehenden Flächen. Dies bedeutet, dass im Rahmen der Flächenplanung durch den Veranstalter nicht nur die reinen Flächen, sondern auch die Höhen der Aufbauten und die mit den Aufbauten verbundenen Sichtlinien dargestellt werden müssen. | Veranstaltungsspezifisch sind insbesondere zusätzliche Bühnenanbauten (Stege) und die Anordnung der Getränkestände bestimmende Faktoren für die zur Verfügung stehenden Flächen. Dies bedeutet, dass im Rahmen der Flächenplanung durch den Veranstalter nicht nur die reinen Flächen, sondern auch die Höhen der Aufbauten und die mit den Aufbauten verbundenen Sichtlinien dargestellt werden müssen. | ||
==Praxisbeispiel: Konzert== | |||
=Praxisbeispiel: Konzert= | |||
Die Bedürfnisse des Publikums bei Konzertveranstaltungen sind in erster Linie: | Die Bedürfnisse des Publikums bei Konzertveranstaltungen sind in erster Linie: | ||
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Ausgehend von einer nutzbaren Aufenthaltsfläche von 40.000 qm könnte eine Verteilung wie folgt aussehen: | Ausgehend von einer nutzbaren Aufenthaltsfläche von 40.000 qm könnte eine Verteilung wie folgt aussehen: | ||
20.000 qm LOQ B – Berechnung mit 3 Pers/ qm = 60.000 Besucher | *20.000 qm LOQ B – Berechnung mit 3 Pers/ qm = 60.000 Besucher | ||
10.000 qm LOQ C – Berechnung mit 1,5 Pers / qm = 15.000 Besucher | *10.000 qm LOQ C – Berechnung mit 1,5 Pers / qm = 15.000 Besucher | ||
10.000 qm LOQ E/F - Berechnung mit 0,5 Pers /qm = 5000 Besucher | *10.000 qm LOQ E/F - Berechnung mit 0,5 Pers /qm = 5000 Besucher | ||
Dies entspricht mit insgesamt 2 Pers/ qm über die gesamte Fläche zumeist einer formalen Einhaltung genehmigten Kapazität, berücksichtig aber die realistische Verteilung der Besucher auf dem Platz. Eine Belegung des Bereiches vor der Bühne | Dies entspricht mit insgesamt 2 Pers/ qm über die gesamte Fläche zumeist einer formalen Einhaltung genehmigten Kapazität, berücksichtig aber die realistische Verteilung der Besucher auf dem Platz. Eine Belegung des Bereiches vor der Bühne mit 3 Personen/qm wird nicht als problematisch angesehen, solange ausreichende Entlastungsflächen und Fluchtwege zur Verfügung stehen. Eine Belegung mit 3 Pers/qm und mehr vor Bühnen entspricht einer regelmäßigen selbst gewählten Dichte bei Konzerten. | ||
Eine solche Verteilung entspricht auch der Überlegung, dass die Eintrittswahrscheinlichkeit von lokalen Störungen, die nur zu einer lokalen und zeitlich eingegrenzten Verdrängung bzw. Verdichtung führen deutlich höher ist als die einer Störung, die eine Gesamträumung des Platzes erforderlich machen würde. Die Zurverfügungstellung von Entlastungsflächen würde hier dem lokalen Schadenereignis entsprechen, in dem Personen aus dem gefährdeten Bereich auf die Entlastungsflächen gelenkt werden. | Eine solche Verteilung entspricht auch der Überlegung, dass die Eintrittswahrscheinlichkeit von lokalen Störungen, die nur zu einer lokalen und zeitlich eingegrenzten Verdrängung bzw. Verdichtung führen deutlich höher ist als die einer Störung, die eine Gesamträumung des Platzes erforderlich machen würde. Die Zurverfügungstellung von Entlastungsflächen würde hier dem lokalen Schadenereignis entsprechen, in dem Personen aus dem gefährdeten Bereich auf die Entlastungsflächen gelenkt werden. | ||
Das bedeutet, dass der Veranstalter im Rahmen der Aufplanung nachweisen muss, dass er | Das bedeutet, dass der Veranstalter im Rahmen der Aufplanung nachweisen muss, dass er | ||
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*25% der Fläche für das Publikum mit einem LOQ C (Sichtbehinderungen z.B. durch Standaufbauten sind gegeben, eine freie Bewegung innerhalb dieser Flächen ist aber möglich) zur Verfügung stellen muss, um dann ca. | *25% der Fläche für das Publikum mit einem LOQ C (Sichtbehinderungen z.B. durch Standaufbauten sind gegeben, eine freie Bewegung innerhalb dieser Flächen ist aber möglich) zur Verfügung stellen muss, um dann ca. | ||
*25% der Fläche für das Publikum mit einem LOQ E/F als Entlastungsflächen anrechnen lassen zu können. | *25% der Fläche für das Publikum mit einem LOQ E/F als Entlastungsflächen anrechnen lassen zu können. | ||
==Literatur== | |||
* [1] Musterverordnung über den Bau und Betrieb von Versammlungsstätten (Muster-Versammlungsstättenverordnung – MVStättVO). Fassung Juni 2005 (zuletzt geändert durch Beschluss der Fachkommission Bauaufsicht vom Juli 2014). | |||
* [2] Fruin, John J. (1987) Pedestrian Planning and Design. Second Revised Edition. Elevator World Inc. | |||
* [3] Still, Keith G (2013) Introduction to Crowd Science. Taylor & Francis Group. | |||
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''Autorin: Sabine Funk (IBIT GmbH)'' |
Aktuelle Version vom 22. Juni 2015, 12:11 Uhr
Hinführung zum Thema
Eine rein quantitative Betrachtung von Flächen– etwa aufgrund baurodnungsrechtlicher Vorgaben z.B. der Musterversammlungsstättenverordnung – reicht oftmals nicht aus, die „Angemessenheit“ einer Fläche zu bewerten. Im Rahmen eines Crowd Management Ansatzes, der den Besucher und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt der Betrachtungen stellt, sind immer auch Fragen nach der Nutzung des Platzes sowohl in räumlicher als auch in zeitlicher Hinsicht zu stellen sowie Wechselwirkungen mit anderen Flächen zu betrachten.
Einleitung
Verkehrs- und Bewegungsflächen für Fußgänger sind meist multiplen Nutzungsarten unterworfen – dies gilt auch für Flächen für die Besucher von Konzerten. Plätze, Gehwege, Ein- & Ausgangsbereiche in Gebäude, Kreuzungen, Flächen vor Bühnen / an Bierständen / an Ein- & Auslassbereichen werden von Personen in unterschiedlichen Dichten und Frequenzen mit unterschiedlichen Zielen und Aufenthaltsdauern genutzt. Einzeln oder in Gruppen werden diese Flächen multidirektional betreten, überquert und verlassen. Gleichzeitig werden die Flächen auch als Wartebereiche oder Treffpunkte genutzt, sowie zum Schlange stehen, kommunizieren oder orientieren. Um die Angemessenheit einer Fläche zu beurteilen, ist es daher im Rahmen der Sicherheitsplanung von Bedeutung, sich über die quantitative Betrachtung hinaus Gedanken über die Nutzung und den Anspruch des Besuchers an die Nutzung zu machen.
Gesetzliche Grundlagen
Die Musterversammlungsstättenverordnung [1] macht keine Vorgaben, was eine "sichere" Belegung einer Fläche ist, in § 1 werden lediglich für den Fall, dass keinen Informationen über genehmigte Kapazitäten vorliegen, Aussagen getroffen, die sich jedoch immer auf die Gesamtkapazität in Bezug auf die zur Verfügung stehende Fläche und - in Verbindung mit § 6 der Verordnung - auf die Breite der zur Verfügung stehenden Fluchtwege bezieht. Das Einhalten der genehmigten Kapazitäten ist nicht per se eine Garant für eine sichere oder gleichmäßige Belegung und / oder Nutzung der Flächen – sichergestellt wird lediglich, dass die Breite der Fluchtwege ausreichend für die sich auf der Fläche befindlichen Personen ist.
Kapazität, Verteilung, Dichte, Nutzung
Die (genehmigte) Gesamtpersonenzahl hat nicht unmittelbar etwas mit der tatsächlichen Flächennutzung, der Verteilung und der Personendichte zu tun - sie zielt auf das Vorhandensein ausreichender Fluchtwege.
Bei einer genehmigten Kapazität von 2 Pers / qm wird es auf den meisten Flächen Bereiche geben, auf denen sich 5 Pers/qm aufhalten und Bereiche, in denen die Dichte nur 0,5 Pers/qm beträgt – abhängig von von der Lage und der Funktion der Fläche oder der dort verorteten Einrichtungen, Sichtlinien, Attraktionen, Aufbauten etc. Diese Verteilung wird sich in den meisten Fällen innerhalb des Veranstaltungszeitraumes mehrfach ändern. Im Rahmen der Sicherheitsplanung sind also folgende Fragen zu stellen:
- was ist die Kapazität einer Fläche: wie viele Menschen passen auf die zur Verfügung stehende Fläche (basierend auf den zugrundeliegenden Schutzzielen und der der Fläche zugeteilten Funktion)
- wie ist die Verteilung auf der Fläche: wie sind die optimalen Belegungsdichten für die geplante Nutzung der Fläche? Wie verteilen sich die Besucher auf der Fläche? Gleichmäßig oder ungleichmäßig über die gesamte Fläche? Gleichmäßig oder ungleichmäßig über den gesamten Veranstaltungszeitraum?
- Dichte: entstehen durch die Verteilung und die Nutzung Bereiche mit besonderen Personendichten? Treten diese immer auf oder nur temporär?
- Nutzung: wie wird die Fläche genutzt? Von wem? Als Transferfläche oder als Wartefläche, Aufenthaltsfläche, multifunktionale Nutzung (evt. mit unterschiedlichen Nutzern?)?
Kapazität
Die Frage nach der Kapazität einer Fläche lässt sich nicht immer einfach beantworten. Dort, wo genehmigte Kapazitäten bereits vorliegen, sind diese einzuhalten - zumeist basieren diese Angaben auf der Vorgabe gemäß Musterversammlungsstättenverordnung § 1 (2 Pers /qm für den Besucher nutzbare Fläche). Die Gesamtkapazität ist jedoch nicht unbedingt gleichzusetzen mit der Kapazität bestimmter Bereiche - ggfs. ist es nötig, innerhalb der genehmigten Gesamtkapazität noch Kapazitäten für bestimmte Veranstaltungsbereiche festzulegen. Das Festlegen einer Kapazität bedeutet immer auch die Kontrolle dieser Kapazität verbunden mit möglichen Zugangssperren und Umleitungen.
Verteilung
Ist die Kapazität insbesondere wichtig in Bezug auf die zur Verfügung stehenden Fluchtwege, ist im Rahmen des crowd managemengt vor allem die Verteilung der Besucher von Bedeutung. Im Rahmen der Sicherheitsplanung muss die (angenommene) Verteilung der Besucher berücksichtigt werden - dies beinhaltet Laufwege genauso wie Aufenthaltsflächen. Um Flächen, Informationen und auch personellen Einsatz planen zu können, ist es wichtig zu wissen, wo sich die Besucher auf dem Gelände aufhalten und wie sie dort hinkommen. Es ist wichtig zu wissen, ib die Verteilung einmalig bzw. dauerhaft ist (z.B. bei einem Einzelkonzert) oder ob es zu einem ggf sogar mehrfachen Wechsel der Verteilung kommt (z.B. bei Veranstaltungen mit meheren Bühnen, Programmpunkten). Die Verteilung ist dabei wichtig, um zu erkennen, ob die jeweiligen kapazitäen ausreichen, aber auch, um die ggf. auftretenden personenströme angemessen lenken zu können.
Dichte
Auch die Dichte, d.h., die Frage, wieviele Menschen z.B. auf einem Qudratmeter stehen, ist ein relevanter Faktor der Sicherheitsplanung. Auch die Dichte hat nur bedingt etwas mit der Gesamtkapazität der Fläche zu tun - hohe Dichten können vollkommen unabhängig von der Gesamtkapazität auftreten, z.B. vor Bühnen, an einer besonderen Attraktion etc. Wie diese Dichte zu bewerten ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab
- tritt die Dichte lokal begrenzt auf und stehen ausreichende Entlastungsflächen zur Verfügung
- ist die Dichte selbst gewählt (z.B. vor einer Bühne)
- Sind Möglichkeiten gegeben, auch innerhalb der Dichte auf Besucher einwirken zu könne, diesen helfen zu können etc.?
Nutzung
Im Mittelpunkt der Betrachtung steht dabei die Frage, wie Flächen genutzt werden (wie? von wem? wie lange? etc) und was für die sichere Nutzung der Flächen - immer in Bezug auf den erwarteten Besucher - nötig ist. Zu berücksichtigen sind dabei insbesondere die folgenden Faktoren:
- Wege und Richtungen: welche Wege nehmen die Besucher? Aus welchen Richtungen kommen sie ( in welche Richtungen gehen sie (gleichzeitig und nacheinander)
- genutzte Flächen: welche Flächen werden wann, wie lange mit welcher Intensität genutzt?
- Bewegung auf der Fläche: wie werden die Flächen genutzt : stehen die Besucher vorrangig (z.B. vor einer Bühne) oder gehen sie ? Wenn sie gehen: ist das gehen der Hauptnutzungszweck (z.B. das Schlendern uüber einen Markt) oder dient es nur dem Erreichen des eigentlichen Zieles ?
- Nutzerprofil: wer sind die Nutzer der Fläche und Wege? Welche Besonderhgeiten ergeben sich ggfs. aus dem Profil der Besucher?
Im Englische wird diese Übersicht abgekürzt mit der Bezeichnung RAMP: Routes - Areas - Movement - Profile (vgl [3] S. 122ff)
Flächennutzung bei Veranstaltungen: Level of Quality
In Anlehnung an Fruins Level of Service (LOS) (vgl [2] S. 71 ff)ergibt sich in Bezug auf die Flächennutzung ein Level of Quality (LOQ) – also eine Beurteilung der Fläche in Bezug auf die Erfüllung der Bedarfe der Besucher.
- A - Ungestörtes Seh- & Hörempfinden in Bezug auf das Bühnengeschehen, Personendichten max LOS C (alternative Platzwahl nicht notwendig)
- B - Ungestörtes Seh- & Hörempfinden in Bezug auf das Bühnengeschehen, Personendichten max LOS D (alternative Platzmöglich nicht notwendig bzw. mit Aufwand verbunden)
- C - Eingeschränktes Seh- & Hörempfinden in Bezug auf das Bühnengeschehen, Personendichten max LOS C (alternative Platzmöglich evtl. notwendig und möglich)
- D- Eingeschränktes Seh- & Hörempfinden in Bezug auf das Bühnengeschehen, Personendichten max LOS D (alternative Platzmöglich evtl. notwendig und mit hohem Aufwand verbunden)
- E- Stark gestörtes Seh- & Hörempfinden in Bezug auf das Bühnengeschehen,
- F- Ausfall mindestens einer Wahrnehmungsart (Hören / Sehen) in Bezug auf das Bühnengeschehen
Ein Level of Quality A ist bei Konzerten insbesondere im vorderen Bereich nicht zu finden – dies entspricht in den meisten Fällen auch nicht dem Wunsch nach einem „guten“ Konzerterlebnis. Ein Level of Quality B stellt in diesem Fall ebenfalls ein erstrebenswertes Level dar. Veranstaltungsspezifisch sind insbesondere zusätzliche Bühnenanbauten (Stege) und die Anordnung der Getränkestände bestimmende Faktoren für die zur Verfügung stehenden Flächen. Dies bedeutet, dass im Rahmen der Flächenplanung durch den Veranstalter nicht nur die reinen Flächen, sondern auch die Höhen der Aufbauten und die mit den Aufbauten verbundenen Sichtlinien dargestellt werden müssen.
Praxisbeispiel: Konzert
Die Bedürfnisse des Publikums bei Konzertveranstaltungen sind in erster Linie:
- Sehen des Bühnengeschehens
- Hören des Bühnengeschehens
Diese primären „Konzertbedürfnisse“ werden ergänzt durch allgemeine Bedürfnisse
- ausreichende Versorgung (Essen & Trinken)
- ausreichende Entsorgung (Toiletten)
- Aufrechterhaltung der Selbstkompetenz, insbesondere durch ausreichende und unmissverständliche Informationsgabe (dies beinhalte den Weg vom Parkplatz zum Gelände genauso wie die Beschilderung der Unfallhilfstellen auf dem Gelände)
- Den Erwartungen des Besuchers entsprechende Zeitabläufe (Konzertbesucher sind es in den meisten Fällen gewohnt zu warten (an den Einlässen, den Bierständen, den Toiletten) - eine „Überstrapazierung“ führt jedoch regelmäßig zu einer Verschlechterung des Gesamterlebnisses)
Zusätzlich kommen hierzu noch die immanenten Erwartungen
- Zur Verfügung Stellung einer sicheren Aufenthaltsumgebung
- Ausreichende Einsatzkräfte
- Ausreichende Wege / Flächen
- Funktionierende Abläufe.
Eine rein quantitative Betrachtung von theoretisch zur Verfügung stehenden Flächen ist weder der Sicherheitsplanung noch dem Qualitätsempfinden der Besucher angemessen. Insbesondere Flächen hinter Aufbauten mit nicht nur gestörten, sondern de facto nicht mehr vorhandenen Sichtlinien können lediglich als Entlastungsfläche gewertet werden – es muss also sichergestellt werden, dass für das eigentlich Ziel des Besuches (Konzerterlebnis) ausreichend Platz für die erwartete Anzahl an Besuchern zur Verfügung steht. Dieser Platz muss nicht zwangsläufig mit 2 Pers / qm kalkuliert werden – Wichtig ist, dass unterschiedliche Flächennutzungen in der Planung dargestellt werden.
Ausgehend von einer nutzbaren Aufenthaltsfläche von 40.000 qm könnte eine Verteilung wie folgt aussehen:
- 20.000 qm LOQ B – Berechnung mit 3 Pers/ qm = 60.000 Besucher
- 10.000 qm LOQ C – Berechnung mit 1,5 Pers / qm = 15.000 Besucher
- 10.000 qm LOQ E/F - Berechnung mit 0,5 Pers /qm = 5000 Besucher
Dies entspricht mit insgesamt 2 Pers/ qm über die gesamte Fläche zumeist einer formalen Einhaltung genehmigten Kapazität, berücksichtig aber die realistische Verteilung der Besucher auf dem Platz. Eine Belegung des Bereiches vor der Bühne mit 3 Personen/qm wird nicht als problematisch angesehen, solange ausreichende Entlastungsflächen und Fluchtwege zur Verfügung stehen. Eine Belegung mit 3 Pers/qm und mehr vor Bühnen entspricht einer regelmäßigen selbst gewählten Dichte bei Konzerten. Eine solche Verteilung entspricht auch der Überlegung, dass die Eintrittswahrscheinlichkeit von lokalen Störungen, die nur zu einer lokalen und zeitlich eingegrenzten Verdrängung bzw. Verdichtung führen deutlich höher ist als die einer Störung, die eine Gesamträumung des Platzes erforderlich machen würde. Die Zurverfügungstellung von Entlastungsflächen würde hier dem lokalen Schadenereignis entsprechen, in dem Personen aus dem gefährdeten Bereich auf die Entlastungsflächen gelenkt werden. Das bedeutet, dass der Veranstalter im Rahmen der Aufplanung nachweisen muss, dass er
- Mindestens 50% der Fläche für das Publikum in einem Level LOQ B (ohne direkte Sicht- / Höreinschränkung)
und
- 25% der Fläche für das Publikum mit einem LOQ C (Sichtbehinderungen z.B. durch Standaufbauten sind gegeben, eine freie Bewegung innerhalb dieser Flächen ist aber möglich) zur Verfügung stellen muss, um dann ca.
- 25% der Fläche für das Publikum mit einem LOQ E/F als Entlastungsflächen anrechnen lassen zu können.
Literatur
- [1] Musterverordnung über den Bau und Betrieb von Versammlungsstätten (Muster-Versammlungsstättenverordnung – MVStättVO). Fassung Juni 2005 (zuletzt geändert durch Beschluss der Fachkommission Bauaufsicht vom Juli 2014).
- [2] Fruin, John J. (1987) Pedestrian Planning and Design. Second Revised Edition. Elevator World Inc.
- [3] Still, Keith G (2013) Introduction to Crowd Science. Taylor & Francis Group.
Autorin: Sabine Funk (IBIT GmbH)