Werkzeuge und Methoden
Rechenverfahren
Erläuterungstext/Motivation für Rechenverfahren
Nachfrageberechnung
Hintergrund
Bei jeder verkehrlich relevanten Veranstaltungsplanung sollte der Vorhabenträger eine Abschätzung des Verkehrsaufkommens im Personen- und Güterverkehr unter Einbezug aller Verkehrsmittel vornehmen. So kann bereits im Vorfeld die verkehrliche Wirkung der Veranstaltung und daraus resultierende Probleme bewertet werden. Unter anderem gilt es Erreichbarkeit oder Auswirkungen des Verkehrsaufkommens für das Umfeld zu beurteilen. Daraus wiederum lässt sich ein möglicher Handlungsbedarf für eine Veränderung der Planung, der Infrastruktur oder des vorgesehenen Verkehrsangebots ableiten.
Ermittlung der Nachfrage für den Normalverkehr
Um Verkehrsanlagen außerhalb des Veranstaltungsgeländes bewerten zu können, ist es notwendig neben dem eigens durch die Veranstaltung induzierten Verkehr auch den sog. Normalverkehr oder die Grundbelastung zu kennen. Hierzu kann es grundsätzlich zwei Methoden geben:
- Soll nur der unmittelbare Bereich um das Veranstaltungsgelände herum bewertet werden, kann auf Daten aus einer Verkehrszählung zurückgegriffen werden.
- Sobald ein größerer Netzausschnitt betrachtet werden soll, ist der Einsatz eines Verkehrsmodells notwendig. Hierzu kann z. B. auf das makroskopische Verkehrsmodell PTV-Validate zurückgegriffen werden. Es beschreibt die Verkehrsnachfrage im klassifizierten Straßennetz für ganz Deutschland (vgl. [1])
Ermittlung der Nachfrage für den Veranstaltungsverkehr
Die Abschätzung der Gesamtnachfrage einer Veranstaltung sowie deren räumliche und modale Verteilung ist nur schwer aus Raumstrukturdaten zu ermitteln. Daher ist es unumgänglich entsprechende Informationen vom Veranstalter einzuholen. Sofern Daten aus zurückliegenden Veranstaltungen vorliegen oder spezielle Befragungen für die Ermittlung von Daten möglich sind, sollten diese für die Modellierung berücksichtigt werden. Alternativ kann auf Informationen aus vorangegangenen Untersuchungen und Erhebungen zurückgegriffen werden. Folgende Einflussgrößen haben sich als maßgebend für die Abschätzung des Veranstaltungsverkehrs herausgestellt:
- Typisierung der Veranstaltung: Die Art der Veranstaltung hat u. a. Einfluss auf die Zusammensetzung der Besucher, den Einzugsbereich oder die Ganglinie der Besucherankünfte.
- Ableitung der Besucherzahl: Entscheidend für den Sicherheitsaspekt einer Veranstaltung ist nicht die Gesamtbesucherzahl, sondern die Besucherzahl am Tag der größten Nachfrage bzw. zur Spitzenstunde. Sofern das Veranstaltungsgelände offen ist und kein kontrollierter Einlass erfolgt, sind die Besucherzahlen schwer abzuschätzen. Für verschiedene Veranstaltungsarten liegen Spannweiten von Besucherzahlen aus vorangegangenen Jahren als Richtwerte vor z.B
- Veranstaltungsort: Die Lage des Veranstaltungsortes und dessen Erreichbarkeit insbesondere auch die ÖV-Anbindung haben einen großen Einfluss auf das Einzugsgebiet der Veranstaltung und damit auch auf die Anzahl der potentiellen Besucher. Zentrumsnah kann ein großer Teil durch nichtmotorisierten Verkehr abgedeckt werden.
- Einzugsbereich der Besucher: Er resultiert zu einem großen Teil aus der Art bzw. Bekanntheit der Veranstaltung. Für eine Reihe von Veranstaltungen liegen bereits Erfahrungswerte vor z. B.
- Zusammensetzung der Besuchergruppen: Alter, Geschlecht, Privat- oder Fachbesucher sind unterschiedliche Besuchermerkmale, die einen deutlichen Einfluss auf Verkehrsverhalten oder/und modale Wahl haben.
- Parksituation für PKW und Busse: Die Parksituation in der Nähe des Veranstaltungsgeländes hat einen deutlichen Einfluss auf die Wahl des Verkehrsmittels.
- Verkehrsangebot ÖV: Das Verkehrsangebot im ÖV hat ebenfalls einen entscheidenden Anteil an der Wahl des Verkehrsmittels
Eine mögliche modellgestützte Vorgehensweise zur Ermittlung der Verkehrsnachfrage wird detailliert im Sicherheitsbaustein Handlungsempfehlung beschrieben
Literatur
Handrechenverfahren
Handrechenverfahren Fahrzeuge
Nach Ermittlung der Normalverkehre und der zu erwartenden Besucherzahlen können unmittelbar an das Veranstaltungsgelände angrenzende Knotenpunkte auf ihre Leistungsfähigkeit im Veranstaltungsfall bewertet werden. Zunächst muss durch eine sog. Handumlegung der prognostizierte Veranstaltungsverkehr auf die angrenzenden Knotenpunkte verteilt werden. Die Veranstaltungsverkehre können im Zufluss der Veranstaltung auf die Veranstaltungsparkplätze aufgeteilt werden. Da die Quelle der Verkehre unbekannt ist, kann dies auf Grundlage der Aufteilungen aus Verkehrszählungen geschehen. Die Aufteilung muss jedoch plausibilisiert werden, da beispielsweise bei vielen überregionalen Besuchern die Autobahn als vorherrschender Anfahrtsweg genutzt wird. Ergebnis der Handumlegung ist eine Addition der Veranstaltungsverkehre mit den Normalverkehren zum Prognoseverkehr.
Auf Grundlage der Prognoseverkehrsmengen lassen sich anschließend die unmittelbar an das Veranstaltungsgelände angrenzenden Knotenpunkte nach den Vorgaben des HBS [1] rechnerisch bewerten. Ergebnis dieser Bewertungen sind Qualitätsstufen des Verkehrsablaufs für Knotenpunkte mit oder ohne Lichtsignalanlage (LSA) bzw. planfreie Knotenpunkte. Grundlage für die Leistungsfähigkeitsbewertung LSA gesteuerter Knotenpunkte sind die dazugehörigen Signalprogramme.
Handrechenverfahren Fußgänger
Zu- und Abwege
Ähnlich der Fahrzeugströme an Knotenpunkten können auch die Fußgängerüberwege an signalisierten Knotenpunkten nach dem HBS bewertet werden. Die Bewertung erfolgt anhand durchschnittlicher Wartezeiten an den Fußgängerfurten.
Für die Bewertung von linienhaft genutzten Fußgängerverkehrsanlagen wie Gehwegen, Rampen oder Treppen steht im HBS ein weiteres Bewertungsverfahren zu Verfügung. Es kann jedoch nicht für Flächen mit kreuzenden Fußgängerströmen oder Flächen mit nicht ausschließlich gerichtetem Fußgängeraufkommen genutzt werden. Als Kriterium für die Qualität des Verkehrsablaufs gilt die Fußgängerverkehrsdichte in Personen je Quadratmeter. Sie wird aus dem Quotient spezifische Verkehrsstärke (auch spezifischer Fluss genannt) [Pers/m*s] und der Gehgeschwindigkeit gebildet. Laut HBS soll die Fußgängerverkehrsdichte aus Sicherheitsgründen den Wert von 1,9 Pers/m2 nicht überschreiten. Für die Bewertung einer Teilstrecke ist immer die Stelle mit der geringsten nutzbaren Breite maßgebend. Die nutzbare Breite eines Weges kann aufgrund von Hindernissen oder wartenden Personen eingeschränkt sein. Hierzu sind im HBS genaue Angaben zu verschiedenen nicht nutzbaren Abschlagsbreiten gemacht. Weiterhin sind Abschlagsfaktoren für Gegenströme, Art des Gehens (z. B.: Bummeln oder Pendler) oder starke Längsneigung (Steigung, Gefälle oder Treppen) einzuberechnen. Besondere Beachtung bei der Bewertung von Zu- und Abwegen zu einer Veranstaltung gilt zudem den Ganglinien der Eintreffenden oder Abwandernden Besucher. Hierzu hat beispielsweise Oberhagemann in [2] eine Ganglinie für das Veranstaltungsende der „Kölner Lichter“ veröffentlicht.
Einlasskontrollen
Die Kapazität oder der Durchfluss von Einlasskontrollen hängt von der Form der Kontrolle ab. Entscheidend ist der Sicherheitsgrad den eine Kontrolle erreichen soll. Eine einfache Ticketkontrolle ohne Sicherheitscheck erfordert einen geringeren Zeitaufwand als beispielweise eine Sicherheitskontrolle am Flughafen. Um die Leistungsfähigkeit eines Einlasssystems zu bewerten, ist der Zeitaufwand je zu kontrollierender Person ins Verhältnis mit der Anzahl von Kontrollschleusen zu setzen. So lässt sich mit einfachen Mitteln eine Durchflussrate von Personen je Zeiteinheit berechnen. Die Bestimmung des Zeitbedarfs je Person sollte in enger Abstimmung mit dem Veranstalter bzw. den Sicherheitsbeauftragten stattfinden. Die Dimensionierung einer entsprechenden Anzahl von Kontrollschleusen sollte allerdings nicht von einem gleichmäßigen Zustrom ausgehen, sondern Belastungsspitzen wie etwa das Eintreffen von Zügen oder Bussen berücksichtigen.
Evakuierungsberechnungen
JSC -> Handrechenverfahren
Grenzen der Handrechenverfahren
Fahrzeuge
Die rechnerische Bewertung der Fahrzeuge nach HBS ist eine langjährig bewährte Methode zur Bewertung von Einzelknotenpunkten. Eine Bewertung im Netzzusammenhang ist damit nicht möglich. Hierzu wird immer häufiger die Mikrosimulation eingesetzt. Dies ist insbesondere bei eng aufeinander folgenden Knotenpunkten sinnvoll und notwendig. Außerdem berücksichtigt das HBS nicht ausreichend genug einen überproportional hohen Anteil von Fußgänger- oder Radverkehren, die sich aufgrund einer Veranstaltung ergeben können. Ebenso wird im HBS der Einfluss von Fußgängerquerungen an ungewollten/verkehrswidrigen Punkten nicht behandelt.
Fußgänger
Auf komplexen Gehflächen mit kreuzenden oder flächenhaft verteilten Fußgängerströmen ergeben sich Bereiche mit kritischen Fußgängerverkehrsdichten nicht zwangsläufig an den geometrischen Engstellen, sondern können bei der zeitlichen und räumlichen Überlagerung verschieden gerichteter Ströme unter Berücksichtigung von Warteflächen überall auf der Fläche auftreten. Hinzu können gepulkte Zuflüsse durch die Ankunft von Bussen oder Bahnen entstehen. Entsprechende Gegebenheiten lassen sich ausschließlich durch mikroskopische Simulation umfassend bewerten.
Literatur
- Bundesanstalt für Straßenwesen:HBS Handbuch für die Bemessung von Straßenverkehrsanlagen,Bergisch Gladbach, 2005.
- vfdb:Statische und dynamische Personendichten bei Großveranstaltungen, Altenbergerge, 2012.
Simulation
Erläuterungstext/Motivation für Simulation
Makroskopische Verkehrssimulation
Makroskopische Verkehrssimulation
Während die mikroskopische Verkehrsmodellierung das Verhalten der Verkehrsteilnehmer an einzelnen Knoten abbildet, werden mit makroskopischen Verkehrsmodellen überörtliche Verkehrsbeziehungen bewertet. Verkehrsstärke (Fahrzeuge pro Zeiteinheit), Verkehrsdichte (Fahrzeuge pro Längeneinheit) und fahrbare Geschwindigkeit lassen sich aus makroskopischen Verkehrsmodellen prognostizieren und erlauben damit eine Aussage über Routenwahl sowie den Verkehrszustand einer einzelnen Strecke (z.B. Stau, Stop-and-Go, freier Verkehrsfluss).
Fahrzeuge IV und ÖV
Ein makroskopisches Modell besteht üblicherweise aus einem Netzmodell, einem Verkehrsnachfragemodell und einem oder mehreren Wirkungsmodellen.
Das Netzmodell enthält die Daten des Verkehrsangebotes. Es besteht aus Verkehrsbezirken, Knoten, Haltestellen, den Strecken des Straßen- und Schienennetzes sowie aus den ÖV-Linien mit ihren Fahrplänen.
Das Verkehrsnachfragemodell enthält die Daten der Verkehrsnachfrage: Quelle, Ziel und Zahl der Fahrtenwünsche (als 2-dimensionale Matrix auf Ebene der Verkehrsbezirke), evtl. Ganglinie der Nachfrage. Zur Nachbildung der realen Nachfrageverhältnisse werden mathematische Modelle (z. B. 4-Stufen-Modell, EVA oder VISEM) genutzt. Diese berechnen die Verkehrsströme (Verflechtungen) zwischen den Verkehrsbezirken auf Basis von Bevölkerungsdaten (Struktur- und Verkehrsverhaltensdaten), der räumlichen Nutzungsstrukturen und des Verkehrsangebotes.
Netz- und Nachfragemodell sind die Eingangsdaten für die Wirkungsmodelle. Je nach Software können verschiedene Wirkungsmodelle zur Analyse und Bewertung eines Verkehrsangebotes genutzt werden. Das Benutzermodell bildet das Verkehrsverhalten der ÖV-Fahrgäste und Kfz-Fahrer nach. Es ermittelt so Belastungszahlen und benutzerbezogene Kenngrößen wie etwa Reisezeit oder Umsteigehäufigkeit. Weitere Wirkungsmodelle können etwa betriebliche Kennzahlen des ÖV oder Umweltauswirkungen des MIV abbilden [1].
Anwendungsmöglichkeiten der makroskopischen Fahrzeugsimulation sind im Veranstaltungsbereich der Zu- und Abfluss. Aufgrund des überschaubaren Modellierungsaufwandes und der geringeren Rechnerleistungen ist die mögliche Größe des Untersuchungsgebietes quasi unbegrenzt und könnte in einem gewissen Abstrahierungsgrad auf ganz Deutschland oder sogar Europa ausgedehnt werden.
Die PTV GROUP hat für die Umsetzung einer beispielhaften Modellrechnung von der Nachfrageberechnung über die Erstellung des Netzmodells bis zur Umsetzung eines Wirkungsmodells eine Handlungsempfehlung erstellt [2]. Diese zeigt detailliert eine mögliche Vorgehensweise zum Aufbau eines entsprechenden Modells auf. Im Folgenden werden die zu erwartenden Ergebnisse und deren mögliche Weiterverwendung beschrieben.
Liegen Netz- und Nachfragemodell vor, erfolgt im Anschluss eine Umlegung der Nachfrage auf das Netzmodell. Ergebnisse dieser ersten Simulation sind Belastungszahlen für MIV, ÖV, Rad- und Fußverkehr inklusive Veranstaltungsverkehr für das gesamte Netzmodell. Da MIV und ÖV das Veranstaltungsgelände nicht als direktes Ziel haben, sondern Parkplätze bzw. Haltestellen, erfolgt für diese Verkehre eine weitere Umlegung, welche die anfallenden Fußwege zum Gelände berechnet.
In diesem zweiten Schritt werden die Parkplätze als Quellbezirke genutzt. Zu diesen Eventverkehren wird der originäre Fußverkehr Wohnung–Veranstaltung aus der Nachfrageberechnung addiert, um eine Gesamtfußverkehrsmatrix zu erhalten. Ergebnis der zweiten Umlegung sind die Fußgängerverkehrsmengen im Stadionumfeld zwischen Parkplätzen, ÖV-Haltestellen und den Zugängen zum Veranstaltungsort.
Die ermittelten Verkehrsbelastungen sowohl für die Anzahl Fahrzeuge, die Besetzung von ÖV-Linien als auch Fußgängerzahlen können anschließend als Grundlage für statische (z. B. Handrechenverfahren nach HBS) oder dynamische (z. B. Mikrosimulation) Leistungsfähigkeitsbetrachtungen zur Bewertung der Verkehrsinfrastruktur dienen.
Fußgänger
Auch die makroskopische Modellierung von Fußgängerströmen ist im Veranstaltungsbereich durchaus sinnvoll möglich und einsetzbar (siehe Schritt zwei der zuvor erläuterten Handlungsempfehlung). Wenn es darum geht für die Gesamtheit aller Besucher optimale Wege bzw. Routen im Zu- oder Abfluss einer Veranstaltung vorzugeben, ist die Nutzung eines makroskopischen Netzwerkmodells sinnvoll. Denn in Summe über alle Besucher führt diese Methode zu minimalen Reisezeiten, auch wenn es für den Einzelnen zu einer Verlängerung des Weges führen kann.
Übergang zur Mikrosimulation
Ähnlich zur Handlungsempfehlung zur Ermittlung der Verkehrsnachfrage hat die PTV eine Empfehlung zur Handhabung des Übergangs zwischen Makro- und Mikrosimulation, bzw. zur möglichen Rückkopplung zwischen beiden Modellen erarbeitet.
Literatur
- PTV GROUP:PTV VISUM 13 – Grundlagen, Karlsruhe 2013.
- PTV GROUP:Handlungsempfehlung zur Ermittlung der Verkehrsnachfrage und den daraus resultierenden Verkehrsströme bei Veranstaltungen, Karlsruhe, 2013.
Mikroskopische (Verkehrs-)Simulation
Mikroskopische (Verkehrs-)Simulation
Die mikroskopischen Modelle bilden einzelne Fahrer/Fahrzeuge- oder Fußgänger-Einheiten mit ihrer jeweils individuellen Charakteristik ab.
Fahrzeuge IV und ÖV
In mikroskopischen Simulationsmodellen bilden die einzelnen Fahrzeuge das kleinste Element, aus denen sich ein Verkehrsstrom zusammensetzt. In der Simulation werden sowohl die individuellen Eigenschaften verschiedener Fahrzeuge und Fahrer als auch die Interaktionen der Fahrzeuge untereinander nachgebildet. Die Modelle setzten sich aus einzelnen Teilmodellen zusammen. Dazu gehört grundsätzlich ein Netzmodell, in dem sämtliche für die Simulation relevanten Daten der Infrastruktur im Untersuchungsgebiet hinterlegt sind wie die Anzahl der Fahrstreifen, Knotenpunkte mit ihren geometrischen und topologischen Eigenschaften oder Lichtsignalanlagen mit den dazugehörigen Regelalgorithmen. Dazu kommen verschiedene Verhaltensmodelle (z. B.: Fahrzeugfolgemodell, Fahrstreifenwechselmodell oder Routenwahlmodell), in denen Rechenalgorithmen zur Nachbildung des Fahrverhaltens zusammengefasst sind [1].
Wichtigste Anwendungsfälle der mikroskopischen Fahrzeugsimulation sind im Veranstaltungsbereich der Zu- und Abfluss. Aufgrund des hohen Modellierungsaufwandes und der hohen Rechnerleistungen ist die mögliche Größe des Untersuchungsgebietes allerdings begrenzt.
Die Verkehrsmengen können in verschiedenen Optionen in das Modell eingespeist werden. Sollten die Werte aus einem makroskopischen Modell stammen, bietet es sich an, sie in Matrixform zu importieren (vgl. Sicherheitsbaustein makroskopische Verkehrsmodellierung). Sollten die Werte aus einer Verkehrszählung stammen und durch eine Handumlegung (vgl. Sicherheitsbaustein Handrechenverfahren) hochgerechnet worden sein, können sie auch als Abbiegeanteile (Aufteilung des in einer Zufahrt ankommenden Verkehrs auf die möglichen Abbiegerichtungen) in das Modell übernommen werden.
Bei der Auswertung der Ergebnisse muss darauf geachtet werden, dass mehrere Simulationsläufe durchgeführt werden müssen, um eine statistische Sicherheit für die Interpretation der Ergebnisse zu erlangen [1].
Die in den Simulationstools integrierten Auswerteoptionen ermöglichen zumeist die Ermittlung und statistische Aufbereitung praktisch aller denkbaren verkehrlichen Kenngrößen. Zu diesen zählen: Verkehrsstärke, Dichte bzw. Belegungsgrad, Geschwindigkeit (z.B. mittlere), Reisezeit, Zeitlückenverteilung, Verlustzeiten usw. Die Einordnung der Ergebnisse kann auf Basis des HBS [2] erfolgen. So kann z. B. die Qualität des Verkehrsablaufs (Level of Service) an einer Straßenverkehrsanlage ermittelt werden.
Ein wesentlicher Vorteil einer durch eine Mikrosimulation gestützten Untersuchung ist zudem die Visualisierung der Verkehre. Durch die Präsentation eines Simulationsvideos können auch fachfremden Personen und einer breiten Masse von Interessierten die Verkehrszusammenhänge verständlich und anschaulich dargestellt werden.
Fußgänger
Ähnlich den mikroskopischen Modellen für Fahrzeuge betrachten mikroskopische Fußgängermodelle das zu simulierende Objekt (den Fußgänger) als Individuum. Sie haben das Ziel Interaktionen zwischen den Fußgängern und deren Fluss innerhalb vorgegebener Geometrien zu beschreiben. Dabei sollen lokale Phänomene wie Stau vor Engstellen, Stauwellen oder Bahnenbildung im Gegenstrom möglichst realistisch nachgebildet werden. Abgesehen von Stauwellen, welche auch im Straßenverkehr existieren zeigt sich an dieser Stelle der bedeutendste Unterschied zwischen Fahrzeugen und Fußgängern. Fahrzeuge stellen sich im Stau hintereinander, Fußgänger eher in einer traubenform auf. Die Bahnenbildung im Gegenstrom bei Fahrzeugen ist durch Fahrstreifen in der Regel klar vorgegeben. Bei den Fußgängern entsteht sie dadurch, dass Menschen dazu tendieren, anderen zu folgen, welche in dieselbe Richtung laufen. Dies vermeidet Kollisionen und führt zur Bahnenbildung.
Wichtigstes Unterscheidungskriterium mikroskopischer Fußgängersimulationsmodelle ist, ob es sich um ein kontinuierliches oder diskretes Modell handelt. Raumkontinuität beschreibt die Fähigkeit eines Modells, Einheiten (Fußgänger) auf einer definierten Fläche frei und kontinuierlich zu bewegen. Sie werden nicht anhand eines vorgegebenen Rasters bewegt, sondern können ihre Position in Abhängigkeit der Wunschrichtung und Geschwindigkeit frei wählen.
Raumdiskrete Modelle hingegen richten die simulierten Einheiten an einem fest definierten Gitternetz aus. Jede Zelle des Gitternetzes hat eine bestimmte Eigenschaft und ist somit eine begehbare Fläche, ein Hindernis oder eine belegte Zelle. Die Bewegung eines Elements wird durch die fortlaufende Blockierung hintereinander liegender Zellen dargestellt. Solche Modelle werden als zellulare Automaten bezeichnet.
Zum Aufbau eines Mikrosimulationsmodells für Fußgänger gehört vergleichbar mit der mikroskopischen Fahrzeugsimulation ein Netzmodell bzw. in diesem Fall eher ein Flächenmodell, welches die Geometrie der zu untersuchenden Infrastruktur wiedergibt. Hierzu gehören „normale“ Bewegungsflächen, Hindernisse (Wände, Säulen, städtebauliches Mobiliar und auch Rampen oder Treppen.
Im Umfeld von Großveranstaltungen gibt es für die Fußgängersimulation folgende Anwendungsfälle:
- Zufluss zum Veranstaltungsgelände,
- Bewegungen auf dem Veranstaltungsgelände,
- Evakuierung der Veranstaltung und
- Abfluss vom Veranstaltungsgelände.
Die in der Simulation anzusetzenden Verkehrsmengen können je nach Anwendungsfall aus unterschiedlichen Quellen stammen wie z. B:
- Makroskopisches Verkehrsmodell (Kantenbelastung, Matrix oder Umsteigezahlen zwischen verschiedenen Verkehrsmodi) (vgl. Sicherheitsbaustein makroskopische Verkehrsmodellierung)
- Fußgängerzählung
- Handumlegung (vgl. Sicherheitsbaustein Handrechenverfahren)
- Eintrittskarten, Erfahrungswerte früherer Veranstaltungen usw.
Analog der Fahrzeugsimulation sollten auch für die Fußgängersimulation mehrere Simulationsläufe zur Erlangung statistischer Sicherheit durchgeführt werden [3].
Die Auswertung der Modelle ist stark abhängig von der Art der Anwendung. Bei der Auswertung von Evakuierungsmodellen ist größtenteils allein die Evakuierungszeit maßgebend. Bei der Bewertung von Zu- und Abfluss bzw. Bewegungen auf dem Gelände handelt es sich tendenziell eher um Komfortanalysen. Es soll gewährleistet sein, dass grundsätzlich genügend Gehfläche für alle Besucher vorhanden ist. Ist dies nicht der Fall, kann die Untersuchung sicherheitsrelevante Bedeutung bekommen, sofern festgestellt wird, dass etwa an Engstellen hohe Dichten auftreten.
Damit ist das wichtigste Auswertekriterium Dichte [Pers./m2] bereits genannt. Anhand der gemessenen Dichte lassen sich Bewertungen nach dem Level of Service Konzept (LOS) vornehmen, u. a. gibt [2] hierzu Grenzwerte vor. Andere Auswertungen wie Reisezeiten, Geschwindigkeiten oder Verlustzeiten sind zumeist ebenfalls möglich.
Durch den Einsatz eines Videos sind auch die Ergebnisse einer Fußgängersimulation einem breiten, ggfs. fachfremden Publikum, anschaulich darzustellen. Somit ist eine deutlich höhere Akzeptanz der Ergebnisse zu erzielen.
Intermodal
Weniger weit verbreitet ist bisher die Simulation von Fahrzeugen (MIV, Busse und Schienenfahrzeuge) und Fußgängern in einem Modell. Mit dieser Option ist es möglich, die Interaktion zwischen Fahrzeugen und Fußgängern in einem Modell abzubilden. Folgende Anwendungsfälle lassen sich hiermit z. B. realitätsgetreu nachbilden:
- Geregeltes und ungeregeltes Queren von Fußgängern (auch abseits von Furten oder Zebrastreifen) über Straßen (inkl. „Rotgeher“).
- Ankunft und Abfahrt von Bussen oder Schienenfahrzeugen mit Nachbildung des Ein- und Aussteigevorgangs oder Verspätungslagen des öffentlichen Verkehrs.
- Shuttle-Bus Konzepte
Die Option alle Verkehrsmodi in einem Modell untersuchen zu können, hilft insbesondere bei der Bewertung der zu- und abfließenden Verkehrsströme einer Großveranstaltung. Es kann eine ganzheitliche Betrachtung vorgenommen und damit eine höhere Planungssicherheit erreicht werden.
Übergang zur Makrosimulation
Ähnlich zur Handlungsempfehlung zur Ermittlung der Verkehrsnachfrage hat die PTV eine Empfehlung zur Handhabung des Übergangs zwischen Makro- und Mikrosimulation, bzw. zur möglichen Rückkopplung zwischen beiden Modellen erarbeitet.
Literatur
- FGSV:Mikroskopische Verkehrssimulation – Grundlagen und praktische Hinweise zur Anwendung, 2006.
- Bundesanstalt für Straßenwesen:HBS Handbuch für die Bemessung von Straßenverkehrsanlagen, Bergisch Gladbach, 2005.
- Initiatoren des RiMEA-Projekts:RiMEA – Richtlinie für Mikroskopische Entfluchtungsanalysen, 2009.