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Sicherheitsbeurteilung

Aus BaSiGo - Bausteine für die Sicherheit von Großveranstaltungen
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Status: final

Autoren: Anne Fiedler, Uli Barth

unter Mitarbeit von: Groneberg, Eichler, Rusch, Funk

Einleitung

Damit Veranstaltungen für alle Beteiligten gesund und sicher sind, wird in der Planungsphase, also vor der Veranstaltung, in Form eines systematischen Verfahrens die Veranstaltung sicherheitlich beurteilt (kurz: Sicherheitsbeurteilung). Gegenstand der Sicherheitsbeurteilung ist eine kritische Auseinandersetzung mit Gefahren sowie durch Gefahren bewirkte Gefährdung für Personen, Umwelt und Sachen. Unter Umständen werden auch Risiken betrachtet. Bei der Beurteilung der Sicherheit von Veranstaltungen kann prinzipiell von der initialen Ursache zu einer unerwünschten Auswirkung ausgegangen werden (Schädlichkeitsansatz) aber auch von den beteiligten Personen aus auf deren Verletzlichkeit (Vulnerabilitätsansatz). Mit zunehmender Vulnerabilität (z.B. mehr Personen, besondere Personengruppen) sollte allfälliges Unwissen und Ungewissheiten verstärkt bei der angewendeten Beurteilungsmethodik berücksichtigt werden. Mit zunehmender Vulnerabilität sollte das Veranstaltungssystem nicht nur gesichert und geschützt, sondern auch dessen Resilienz erhöht werden.

Die Sicherheitsbeurteilung setzt sich zusammen aus zwei wesentlichen Aspekten (s. Abbildung 1). Zum einen aus einer Risikoeinteilung, welche die zuständigen Fachbehörden bei der Beurteilung des Gefährdungspotenzials einer Veranstaltung inkl. möglicher Maßnahmen bzw. Auflagen vorschlägt, die aufgrund des Gefährdungspotenzial notwendig sein können. Zum anderen aus einem Verfahren zur Risikobeurteilung, die den Veranstalter unterstützen soll, die möglichen Risiken auf seiner Veranstaltung zu identifizieren, zu analysieren und zu bewerten, um anschließend Schutzmaßnahmen zu formulieren, die die Risikobewältigung unterstützen sollen.


Sicherheitsbeurteilung

Diese Beurteilungen werden im Genehmigungsverfahren, speziell in der Planungsphase, durchge-führt. Das Genehmigungsverfahren soll hier im Hinblick auf die Erstellung der Aspekte der Sicherheitsbeurteilung kurz dargestellt werden. Wird von einem Veranstalter eine Großveranstaltung geplant, muss er diese bei der zuständigen Behörde anmelden. Dies kann häufig online erfolgen. Der Veranstalter füllt dazu einen Anmeldebogen mit den wichtigsten Daten aus.

Diese Anmeldung geht dann an die zuständige Genehmigungsbehörde, idealerweise handelt es sich dabei um einen Einheitlichen Ansprechpartner (häufig als „Federführende Stelle“ bezeichnet), der diese an die zuständigen Fachbehörden weiterleitet. Die zuständigen Fachbehörden müssen dann feststellen, ob ein erhöhtes Gefährdungspotenzial vorliegt. Daraus ergibt sich, ob die Genehmigung von der Erfüllung bestimmter Auflagen abhängt. Eine Hilfestellung stellt die Risikoeinteilung für die Polizei und die Risikoeinteilung für Brandschutz-, Sanitätsdienstbelange.

Bei der Planung von Veranstaltungen sollte der Veranstalter grundsätzlich eine Risikobeurteilung durchführen. Die Ergebnisse der Risikobeurteilung können dann in das Sicherheitskonzept übertra-gen werden. Im Folgenden werden daher Methoden des Risikomanagements, wie sie bereits in Wirtschaftsunternehmen seit Jahren erfolgreich umgesetzt werden, auf Großveranstaltungen angewendet.

Risikoeinteilung

Die Risikoeinteilung wird innerhalb des Genehmigungsverfahrens durchgeführt und ist eine Entscheidungshilfe für die zuständigen Fachbehörden, welche Auflagen an die Genehmigung gebunden sein sollten, in Abhängigkeit des Gefährdungspotenzials der Veranstaltung. Mit Hilfe von Checklisten soll den zuständigen Fachbehörden die Möglichkeit gegeben werden, das Gefährdungspotenzial besser einschätzen zu können und notwendige Maßnahmen auszuwählen. Es handelt sich hierbei jedoch lediglich um Orientierungshilfen, die den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten angepasst werden können und müssen. Ein Beispiel für eine Risikoeinteilung ist das „Bewertungssystem zur brandschutztechnischen Einschätzung von Großveranstaltungen (Sicherheitskoeffizient)“ der Branddirektion München. Die Erläuterung und Anpassung dieser „Münchener Methode“ einer systematischen Beurteilung einer Veranstaltung ist wissenschaftlich aufgearbeitet worden (LH München 2015).

Wie bereits oben erwähnt, ist es bei Großveranstaltungen notwendig, diese bei der zuständigen Genehmigungsbehörde anzumelden. Es ist zu empfehlen, einen standardisierten Anmeldebogen zu verwenden, z.B. als Online-Abfrage. Dabei ist zu beachten, dass der verlinkte Anmeldebogen sich bisher im Wesentlichen auf die polizeilichen Aspekte sowie die Aspekte des Brandschutzes und des Sanitätsdienstes bezieht. Dieser ist aber durch die Belange der weiteren zuständigen Fachbehörden erweiterbar. Welche weiteren Fachbehörden mit eingebunden werden sollten, kann nicht pauschal festgelegt werden. Je nach Ausgestaltung der Veranstaltung ist das Fachwissen einzelner Behörden notwendig. Eine nicht abschließende Auflistung über die zu beteiligenden Fachbehörden ist im Kapitel 5 des Leitfadens „Sicherheit bei Großveranstaltungen“ des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport zu finden (Hessen 2013). [1]

Aspekte der Risikoeinteilung

Wenn die zuständigen Behörden ausgewählt und die Informationen des Anmeldebogens an die zuständigen Behörden weiter geleitet wurden, führen die eine Risikoeinteilung durch. Unter den folgenden Links werden Polizeiliche Aspekte und Aspekte des Brandschutzes und des Sanitätsdienstes vorgestellt, die eine Risikoeinteilung mindestens umfassen sollte (s. Anhang II). Mithilfe der verschiedenen Checklisten legen die zuständigen Fachbehörden fest, ob für ihren Bereich das Risiko nicht mehr toleriert werden kann. Im nächsten Schritt ist dann zu klären, ob das Risiko durch Auflagen und Schutzmaßnahmen noch verringert und somit toleriert werden kann. Ist dies aus Sicht einer oder mehrerer zuständiger Fachbehörden nicht möglich, kann keine Genehmigung zur Durchführung der Veranstaltung erstellt werden.

Auflagen auf Grundlage der Risikoeinteilung

Wurde auf Grundlage der Risikoeinteilung ermittelt, dass die Genehmigung an Auflagen geknüpft werden muss, müssen diese je nach Risiko ausgewählt werden. Dies sollte auf Grundlage der Erfahrungen aus vorherigen Veranstaltungen durchgeführt werden.

Risikobeurteilung

Risikomanagementprozess

Der Veranstalter sollte für jede Veranstaltung eine Risikobeurteilung durchführen, um eine größt-mögliche Sicherheit garantieren zu können. Stellen die zuständigen Fachbehörden die Auflage zur Erstellung eines Sicherheitskonzepts, ist die Risikobeurteilung die Grundlage dazu. Die Risikobeurteilung ist Teil des Risikomanagementprozesses nach (ISO 31000:2009), der in Abbildung 2 graphisch dargestellt wird. Die Risikobeurteilung besteht aus den Schritten Risikoidentifikation, Risikoanalyse und Risikobewertung. Vorangestellt ist das Erstellen des Zusammenhangs und anschließend folgt der Schritt der Risikobewältigung. Umgangssprachlich werden diese zwei letztgenannten Schritte der Risikobeurteilung zugeordnet. Im weiteren Verlauf werden die einzelnen Schritte des Verfahrens näher beleuchtet und Hinweise gegeben, wie dies für die Veranstaltungssicherheit umgesetzt werden könnte.

Erstellen des Zusammenhangs / Ableitung von Schutzzielen

Das Erstellen des Zusammenhangs ist der erste Schritt des Risikomanagementprozesses, wodurch laut ISO 31000 [2] die Ziele der Veranstaltung zum Ausdruck gebracht werden. Ziele bei einer Veranstaltung können unterschiedlich ausgestaltet sein, Beispiele sind der wirtschaftliche Gewinn, Wiedererkennungswert (z.B. mit einem bestimmten Produkt), zufriedene Besucher (welche die nächste Veranstaltung wieder besuchen werden), ein bestimmungsgemäßer Veranstaltungsverlauf und eine sichere Veranstaltung. Durch die Formulierung dieser Ziele, werden so genannte Schutzziele festgelegt, die für die Bestimmung der Grenzrisiken notwendig sind. Der Begriff Schutzziele wird von den Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben unterschiedlich definiert. So besteht ein Schutzziel bei der Feuerwehr aus Erreichungsgrad, Funktionsstärke und Hilfsfrist. Dies ist in diesem Zusammenhang eine zu enge Definition. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK 2011) definiert den Begriff „Schutzziel“ wie folgt:

Angestrebter Zustand eines Schutzguts, der bei einem Ereignis erhalten bleiben soll.[3]

Allgemein würde dies so viel heißen, wie "Erhaltung der körperlichen Unversehrtheit des Besuchers". Doch wird das Schutzziel "Keine Verletzungen der Besucher von Veranstaltungen" kaum einzuhalten sein und sollte daher so nicht formuliert werden. Der Veranstalter sollte sich aber darüber Gedanken machen, wie viele Verletzte er bei seiner Veranstaltung noch toleriert. Auch kann er bestimmte Arten von Verletzungen oder Erkrankungen festlegen, die er auf der Veranstaltung nicht tolerieren wird. So könnte beispielsweise ein Ziel sein, dass es keine Lebensmittelvergiftungen auf einer Veranstaltungen geben soll. Gibt es einen Verkauf von Lebensmitteln auf der Veranstaltung, kann der Veranstalter daher verlangen, dass alle gültigen Regeln zu diesem Aspekt eingehalten werden sollen und kann dazu noch Kontrollen einbauen.

Es sollte daher im ersten Schritt festgelegt werden, was geschützt werden soll[4]:

  • Menschen - wen?
  • Eigentum - welches?
  • Information - welche?
  • Prozesse - welche?
  • Umwelt - vor was?
  • Reputation - warum?

Beispiele für formulierte Schutzziele sollten so konkret wie möglich sein:

  • Vermeidung von kritischen Personendichten
  • Aufrechterhaltung von Gefahrenabwehrmaßnahmen und Fluchtmöglichkeiten für gefährdete Personen
  • Aufrechterhaltung der Kommunikationshoheit des Veranstalters (technisch und inhaltlich)
  • Technische Instandhaltung von Kommunikationsinfrastrukturen
  • Sicherstellung des Personalbedarfs
  • Sicherstellung der Informationsketten
Grenzrisiko

Gerade bei der Einstufung was „akzeptierbar“ und was „unter Auflagen akzeptierbar“ für die Behörden ist, sind neben der persönlichen Einschätzung weitere Einflussgrößen, wie etwa das durch rechtliche Vorgaben definierte Schutzniveau, der Nachweis bzw. die Kompensation durch ingenieurmäßige Methoden oder letztlich das Veranstalterinteresse, von Bedeutung.

Das Veranstalterinteresse ist entscheidend Bbei der Planung einer Veranstaltung: Es wird ein gewisser Finanzrahmen gesetzt, der nicht überschritten werden darf. Wird dieser jedoch bei der Planung der Veranstaltung überschritten, wird der Veranstalter die Planung abbrechen und die Veranstaltung nicht durchführen oder andere Mittel und Wege suchen, um die Kosten zu senken (z.B. günstigerer Veranstaltungsort, günstigerer Main Act, günstigerer Sanitäts- und Ordnungsdienstanbieter bzw. gewünschte Senkung des Schutzniveaus durch Reduktion der Stärke und Ausstattung). Gleiches gilt bei der Veranstaltung in Bezug auf die Besuchersicherheit. Bereits in der Planung muss festgelegt werden, welche Risiken in welcher Höhe noch toleriert werden und ab wann Maßnahmen ergriffen werden müssen, um das Risiko zu mindern. Mit anderen Worten: Die Sicherheit der Besucher kostet Geld, daher sind finanzielle Mittel hierfür frühzeitig einzuplanen. Ein zu geringes Budget ist keine Rechtfertigung das Sicherheitsniveau unterhalb des Grenzrisikos abzusenken!

Die Schutzziele und die daraus abzuleitenden Grenzrisiken sind nicht starr und allgemein für alle Arten von Veranstaltungen anzuwenden. Sie müssen mit jeder neuen Veranstaltung neu formuliert werden. Denn die Schutzziele ändern sich mit jeder Veranstaltung. Dies soll das folgende Beispiel veranschaulichen:

Auf einer Volksfestveranstaltung erwarten die Besucher unter anderem spektakuläre Fahrgeschäfte sowie die Möglichkeit, Bier und andere alkoholische Getränke zu konsumieren. Somit wird die Veranstaltung darauf ausgelegt, dass diese Erwartungen der Besucher erfüllt werden. Es werden unter anderem viele Bierstände aufgestellt und ein hoher Bierverkauf (und damit ein hoher Umsatz) ist ein Ziel der Veranstaltung. Bei einer solchen Veranstaltung muss also davon ausgegangen werden, dass einige Personen eine sanitätsdienstliche Versorgung aufgrund von zu hohem Alkoholkonsum benötigen. Der Veranstalter kann davon ausgehen, dass dies allgemein toleriert wird und sein Schutzziel (wie viele Personen aufgrund von erhöhtem Alkoholkonsum behandelt werden können) darauf auslegen und somit das Grenzrisiko festlegen.

Auf einem Kinderfest erwarten die Besucher Spiele für Kinder, Unterhaltung durch Clowns und kindgerechtes Essen. Es werden solche Stände aufgebaut, der Fokus liegt auf der Unterhaltung der Kinder. Die möglichen Sanitätsdiensteinsätze sind beispielsweise hauptsächlich Versorgungen von gestürzten Kindern. Dass sich einige Kinder verletzen werden, weil sie beim Spielen stürzen, wird akzeptiert. Nicht toleriert werden hingegen betrunkene Gäste, die möglicherweise sogar unangenehm auffallen. Folglich können die Schutzziele und Grenzrisiken sehr unterschiedlich sein. Bei einer sich wiederholenden Veranstaltung sollte in der Planung geprüft werden, ob sich die Schutzziele geändert haben.

Folglich können die Schutzziele und Grenzrisiken sehr unterschiedlich sein. Bei einer sich wiederho-lenden Veranstaltung sollte in der Planung geprüft werden, ob sich die Schutzziele geändert haben.

Die Definition von Schutzzielen und die Festlegung von Grenzrisiken stellen die Kalibrierung der Risikobewertung dar. In diesem Schritt, der im späteren Verlauf erläutert wird, wird die Höhe der Risiken mit den Grenzrisiken verglichen und festgelegt, ob diese noch toleriert werden können oder nicht.

Risikoidentifikation

Beurteilungshilfen zur Risikobewertung

Risikoeinteilung von Veranstaltungen - Polizeiliche Aspekte Aspekte, die bei der Risikoeinteilung von Veranstaltungen aus polizeilicher Sicht berücksichtigt werden sollten.

Datei:Polizeiliche Sicherheitsaspekte Risikoeinteilung.pdf

Risikoeinteilung von Veranstaltungen - Nichtpolizeiliche Aspekte Aspekte, die bei der Risikoeinteilung von Veranstaltungen aus nichtpolizeilicher Sicht (Brandschutz und Sanitätsdienst) berücksichtigt werden sollten.

Datei:Nichtpolizeiliche Sicherheitsaspekte Risikoeinteilung.pdf

Struktur einer Checkliste zur Identifizierung von Gefährdungen auf Veranstaltungen

Datei:2015-01-06 Checkliste Gefährdungsfaktoren.pdf

Einzelnachweise

  1. Leitfaden "Sicherheit bei Großveranstaltungen" - Hessisches Ministerium des Innern und für Sport. Abgerufen am 05.03.2014.
  2. ISO 31000:2009 Risikomanagement - Grundsätze und Leitlinien.
  3. BBK-Glossar - Ausgewählte zentrale Begriffe des Bevölkerungsschutzes - Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Abgerufen am 16.05.2014.
  4. Zimme, R. (2014): Risikomanagement bei Veranstaltungen. Pilotseminar interdisziplinäre Grundlagenausbildung "Sicherheit bei Großveranstaltungen" an der AKNZ am 14.10.2014.