Bitte beachten Sie: Diese archivierte Version des BaSiGo-Wikis wird nicht mehr aktualisiert. Das BaSiGo-Wiki wurde im Rahmen des BMBF-Forschungsprojektes 'Bausteine für die Sicherheit von Großveranstaltungen' (BaSiGo) entwickelt und stellt den Stand zum Projektende im Juni 2015 dar.

Flächennutzung

Aus BaSiGo - Bausteine für die Sicherheit von Großveranstaltungen
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Sabine Funk, IBIT GmbH


Eine rein quantitative Betrachtung von Flächen– etwas aufgrund baurodnungsrechtlicher Vorgaben z.B. der Musterversammlungsstättenverordnung – reicht oftmals nicht aus, die „Angemessenheit“ einer Fläche zu bewerten. Im Rahmen eines Crowd Management Ansatzes, der den Besucher und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt der Betrachtungen stellt, sind immer auch Fragen nach der Nutzung des Platzes sowohl in räumlicher als auch in zeitlicher Hinsicht zu stellen sowie Wechselwirkungen mit anderen Flächen zu betrachten.

Einleitung

Verkehrs- und Bewegungsflächen für Fußgänger sind meist multiplen Nutzungsarten unterworfen – dies gilt auch für Flächen für die Besucher von Konzerten. Plätze, Gehwege, Ein- & Ausgangsbereiche in Gebäude, Kreuzungen, Flächen vor Bühnen / an Bierständen / an Ein- & Auslassbereichen werden von Personen in unterschiedlichen Dichten und Frequenzen mit unterschiedlichen Zielen und Aufenthaltsdauern genutzt. Einzeln oder in Gruppen werden diese Flächen multidirektional betreten, überquert und verlassen. Gleichzeitig werden die Flächen auch als Wartebereiche oder Treffpunkte genutzt, sowie zum Schlange stehen, kommunizieren oder orientieren. Um die Angemessenheit einer Fläche zu beurteilen, ist es daher im Rahmen der Sicherheitsplanung von Bedeutung, sich über die quantitative Betrachtung hinaus Gedanken über die Nutzung und den Anspruch des Besuchers an die Nutzung zu machen.

Gesetzliche Grundlagen

Die Musterversammlungsstättenverordnung gibt macht keine Vorgaben über die Belegung einer Fläche, in § 1 werden lediglich für den Fall, dass keinen Informationen über genehmigte Kapazitäten vorliegen, Aussagen getroffen. Aber auch das Einhalten der genehmigten Kapazitäten ist nicht per se eine Garant für eine sichere Belegung und / oder Nutzung der Flächen – sichergestellt wird lediglich, dass die Breite der Fluchtwege ausreichend für die sich auf der Fläche befindlichen Personen ist.

Kapazität, Verteilung, Dichte, Nutzung

Die Belegung auf einer Veranstaltungsfläche ist selten einheitlich. Neben Flächen mit hohen Dichten finden sich meist Flächen, die nur "locker" belegt sind. Photo: Rheinkultur GmbH / Marc Nowak

Die (genehmigte) Gesamtpersonenzahl hat nicht unmittelbar etwas mit der Flächennutzung, der Verteilung und der Personendichte zu tun – dies wird erst dann relevant, wenn das Verhältnis der Gesamtpersonenzahl zur Fläche so negativ ist, dass aufgrund der hohen Personenzahl eine ungleichmäßige Belegung der Fläche gar nicht mehr möglich ist, das heisst, wenn alle Bereich der Fläche geleichermaßen so voll belegt sind, so dass ein Ausweichen nicht mehr möglich ist.

Bei einer genehmigten Kapazität von 2 Pers / qm wird es auf den meisten Flächen Bereiche geben, auf denen sich 5 Pers/qm aufhalten und Bereiche, in denen die Dichte nur 0,5 Pers/Qm beträgt – abhängig von Sichtlinien, Attraktionen, Aufbauten etc. Diese Verteilung wird sich in den meisten Fällen innerhalb des Veranstaltungszeitraumes mehrfach ändern. Im Rahmen der Sicherheitsplanung sind also folgende Fragen zu stellen:

  • was ist die Kapazität einer Fläche: wie viele Menschen passen auf die zur Verfügung stehende Fläche (basierend auf den zugrundeliegenden Schutzzielen)
  • wie ist die Verteilung auf der Fläche: wie verteilen sich die Besucher auf der Fläche? Gleichmäig oder ungleichmäßig über die gesamte Fläche? Gleichmäßig oder ungliechmäßig über den gesamten VEranstaltungszeitraum?
  • Dichte: entstehen durch die Verteilung und die Nutung Bereiche mit besonderen Personendichten? Treten diese immer auf oder nur temporär?
  • Nutzung: wie wird die Fläche genutzt? von wem? Transferfläche? Wartefläche? Aufenthaltsfläche, multifunktionale Nutzung (evt. mit unterschiedlichen Nutzern?)

Kapazität

Verteilung

Dichte

Hohe Dichten, mittelere Dichten, keine Dichten: auf den meisten Veranstaltungsgeländen finden sich alle Ausprägungen der Flächenbelegung. Wichtig ist, dass insgesamt ausreichende Flucht & Rettungswege zur Verfügung stehen und dass eine Einsatz- und Ausweichmöglichkeit auch in Bereichen mit hohen Dichten gegeben ist. Photo: Rheinkultur GmbH / Marc Nowak
Je nach Blickwinkel und Lichtverhältnissen ist es unmöglich, Dichten abzuschätzen. Ist kein (möglichst) senkrechter Blick auf die Besuchermenge möglich, helfen Lagemeldungen aus dem Gelände selbst, das Bild zu ergänzen. Gemeldete Dichten sollten regelmäßig mit den angenommenen Dichten im Rahmen der Flächenplanung abgeglichen werden. Photo: Rheinkultur GmbH / Marc Nowak
Photo: Rheinkultur GmbH / Marc Nowak
Photo: Rheinkultur GmbH / Marc Nowak
Photo: Rheinkultur GmbH / Marc Nowak

Nutzung

Im Mittelpunkt der Betrachtung steht dabei die Frage, wie Flächen genutzt werden (wie? von wem? wie lange? etc) und was für die sichere Nutzung der Flächen - immer in Bezug auf den erwarteten Besucher - nötig ist. Zusammenfassen lassen sich die Anforderungen an die Flächenplanung wie folgt

  • R - Routes: Wege und Richtungen
  • A - Areas: genutzte Flächen
  • M - Movement - Bewegung, Nutzung der Flächen (stehen, gehen etc)
  • P - Profile - Nutzerprofil

Übertragung der LOS auf die Flächennutzung bei Veranstaltungen: LOQ

In Anlehnung an Fruins Level of Service ergibt sich in Bezug auf die Flächennutzung ein Level of Quality (LOQ) – also eine Beurteilung der Fläche in Bezug auf die Erfüllung der Bedarfe der Besucher.


  • A - Ungestörtes Seh- & Hörempfinden in Bezug auf das Bühnengeschehen, Personendichten max LOS C (alternative Platzwahl nicht notwendig)
  • B - Ungestörtes Seh- & Hörempfinden in Bezug auf das Bühnengeschehen, Personendichten max LOS D (alternative Platzmöglich nicht notwendig bzw. mit Aufwand verbunden)
  • C - Eingeschränktes Seh- & Hörempfinden in Bezug auf das Bühnengeschehen, Personendichten max LOS C (alternative Platzmöglich evtl. notwendig und möglich)
  • D- Eingeschränktes Seh- & Hörempfinden in Bezug auf das Bühnengeschehen, Personendichten max LOS D (alternative Platzmöglich evtl. notwendig und mit hohem Aufwand verbunden)
  • E- Stark gestörtes Seh- & Hörempfinden in Bezug auf das Bühnengeschehen,
  • F- Ausfall mindestens einer Wahrnehmungsart (Hören / Sehen) in Bezug auf das Bühnengeschehen


Ein Level of Quality A ist bei Konzerten insbesondere im vorderen Bereich nicht zu finden – dies entspricht in den meisten Fällen auch nicht dem Wunsch nach einem „guten“ Konzerterlebnis. Ein Level of Quality B stellt in diesem Fall ebenfalls ein erstrebenswertes Level dar. Veranstaltungsspezifisch sind insbesondere zusätzliche Bühnenanbauten (Stege) und die Anordnung der Getränkestände bestimmende Faktoren für die zur Verfügung stehenden Flächen. Dies bedeutet, dass im Rahmen der Flächenplanung durch den Veranstalter nicht nur die reinen Flächen, sondern auch die Höhen der Aufbauten und die mit den Aufbauten verbundenen Sichtlinien dargestellt werden müssen.


Praxisbeispiel: Konzert

Die Bedürfnisse des Publikums bei Konzertveranstaltungen sind in erster Linie:

  • Sehen des Bühnengeschehens
  • Hören des Bühnengeschehens

Diese primären „Konzertbedürfnisse“ werden ergänzt durch allgemeine Bedürfnisse

  • ausreichende Versorgung (Essen & Trinken)
  • ausreichende Entsorgung (Toiletten)
  • Aufrechterhaltung der Selbstkompetenz, insbesondere durch ausreichende und unmissverständliche Informationsgabe (dies beinhalte den Weg vom Parkplatz zum Gelände genauso wie die Beschilderung der Unfallhilfstellen auf dem Gelände)
  • Den Erwartungen des Besuchers entsprechende Zeitabläufe (Konzertbesucher sind es in den meisten Fällen gewohnt zu warten (an den Einlässen, den Bierständen, den Toiletten) - eine „Überstrapazierung“ führt jedoch regelmäßig zu einer Verschlechterung des Gesamterlebnisses)

Zusätzlich kommen hierzu noch die immanenten Erwartungen

  • Zur Verfügung Stellung einer sicheren Aufenthaltsumgebung
  • Ausreichende Einsatzkräfte
  • Ausreichende Wege / Flächen
  • Funktionierende Abläufe.

Eine rein quantitative Betrachtung von theoretisch zur Verfügung stehenden Flächen ist weder der Sicherheitsplanung noch dem Qualitätsempfinden der Besucher angemessen. Insbesondere Flächen hinter Aufbauten mit nicht nur gestörten, sondern de facto nicht mehr vorhandenen Sichtlinien können lediglich als Entlastungsfläche gewertet werden – es muss also sichergestellt werden, dass für das eigentlich Ziel des Besuches (Konzerterlebnis) ausreichend Platz für die erwartete Anzahl an Besuchern zur Verfügung steht. Dieser Platz muss nicht zwangsläufig mit 2 Pers / qm kalkuliert werden – Wichtig ist, dass unterschiedliche Flächennutzungen in der Planung dargestellt werden.

Ausgehend von einer nutzbaren Aufenthaltsfläche von 40.000 qm könnte eine Verteilung wie folgt aussehen:

  • 20.000 qm LOQ B – Berechnung mit 3 Pers/ qm = 60.000 Besucher
  • 10.000 qm LOQ C – Berechnung mit 1,5 Pers / qm = 15.000 Besucher
  • 10.000 qm LOQ E/F - Berechnung mit 0,5 Pers /qm = 5000 Besucher

ABBILDUNG EINFÜGEN

Dies entspricht mit insgesamt 2 Pers/ qm über die gesamte Fläche zumeist einer formalen Einhaltung genehmigten Kapazität, berücksichtig aber die realistische Verteilung der Besucher auf dem Platz. Eine Belegung des Bereiches vor der Bühne mir 3 Personen / qm wird nicht per se als kritisch angesehen, solange ausreichende Entlastungsflächen zur Verfügung stehen. Eine Belegung mit 3 Pers / qm vor Bühnen entspricht einer regelmäßigen selbst gewählten Dichte bei Konzerten. Eine solche Verteilung entspricht auch der Überlegung, dass die Eintrittswahrscheinlichkeit von lokalen Störungen, die nur zu einer lokalen und zeitlich eingegrenzten Verdrängung bzw. Verdichtung führen deutlich höher ist als die einer Störung, die eine Gesamträumung des Platzes erforderlich machen würde. Die Zurverfügungstellung von Entlastungsflächen würde hier dem lokalen Schadenereignis entsprechen, in dem Personen aus dem gefährdeten Bereich auf die Entlastungsflächen gelenkt werden. Das bedeutet, dass der Veranstalter im Rahmen der Aufplanung nachweisen muss, dass er

  • Mindestens 50% der Fläche für das Publikum in einem Level LOQ B (ohne direkte Sicht- / Höreinschränkung)

und

  • 25% der Fläche für das Publikum mit einem LOQ C (Sichtbehinderungen z.B. durch Standaufbauten sind gegeben, eine freie Bewegung innerhalb dieser Flächen ist aber möglich) zur Verfügung stellen muss, um dann ca.
  • 25% der Fläche für das Publikum mit einem LOQ E/F als Entlastungsflächen anrechnen lassen zu können.