Bitte beachten Sie: Diese archivierte Version des BaSiGo-Wikis wird nicht mehr aktualisiert. Das BaSiGo-Wiki wurde im Rahmen des BMBF-Forschungsprojektes 'Bausteine für die Sicherheit von Großveranstaltungen' (BaSiGo) entwickelt und stellt den Stand zum Projektende im Juni 2015 dar.

Informations- und Wissensmanagement

Aus BaSiGo - Bausteine für die Sicherheit von Großveranstaltungen
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Einleitung

"Informationsmanagement" sowie "Gemeinsame Wissensbasis" sind zwei zentrale Aspekte der interorganisationalen Zusammenarbeit. Im Rahmen von Großveranstaltungen finden sich regelmäßig diverse Akteure zusammen, die teils über sehr unterschiedliche Kenntnisse und Erfahrungen verfügen. Der Erfahrungsaustausch sowie der Abgleich von Informationen, die die konkrete Veranstaltung betreffen, ist für deren Sicherheit von zentraler Bedeutung. Der vorliegende Text bietet Handlungsempfehlungen für alle Akteure und orientiert sich dabei an den Veranstaltungsphasen.

Grundlagen und Begriffserklärungen

Ein gemeinsam geteilter Wissensstand sowie ein zielführendes Informationsmanagement der beteiligten Akteure sind zentrale Voraussetzungen für den Erfolg einer Veranstaltung. Hinsichtlich des Rückgriffs auf eine solche gemeinsame Wissensbasis, auf die alle Akteure bei der Planung und Durchführung von Veranstaltungen zugreifen können, ergeben sich bezüglich des Veranstaltungsturnus ein- beziehungsweise erstmalige und wiederkehrende Veranstaltungen mit spezifischen Voraussetzungen.

Bei ein- bzw. erstmaligen Veranstaltungen bestehen die Herausforderungen insbesondere darin, dass

  • fehlendes Erfahrungswissen kompensiert werden muss,
  • erstmalig eine Vielzahl von Informationen (z.B. zur Lagebeurteilung, Gefährdungsanalyse) einzuholen sind,
  • erstmalig Szenarien- und Maßnahmenpläne zu erstellen sind,
  • die handelnden Akteure untereinander grundsätzlich unbekannt sind (Erfahrung/Professionalität des Veranstalters unklar etc.) und
  • keine Erfahrungswerte hinsichtlich des Kräfteansatzes bestehen.

Bei wiederkehrenden Veranstaltungen

  • kann aus Defiziten vorheriger Veranstaltungen der Vergangenheit gelernt werden,
  • können Nachbereitungsergebnisse vorangegangener Veranstaltungen für die Vorbereitung genutzt werden,
  • kann ggf. auf ein breites Erfahrungswissen der beteiligten Akteure zurückgegriffen werden,
  • kann auf Konzepte (Kräfteplanungen, Planentscheidungen, Verkehrskonzepte etc.) aus den Vorjahren zurückgegriffen werden, wobei diese stetig fortgeschrieben und optimiert werden sollten,
  • kann die Vorbereitung tendenziell effizienter erfolgen, da sich z.B. die relevanten Akteure (Veranstalter, Security, Behörden) über mehrere Jahre gegenseitig kennengelernt und ggf. ein Vertrauensverhältnis untereinander aufgebaut haben und über die nötige Ortskenntnis verfügen,
  • stehen die Ansprechpartner relevanter Akteure fest und
  • sind die Grundstrukturen des organisatorischen Aufbaus bekannt und erprobt.

Der Begriff des Informationsmanagements stammt ursprünglich aus der Wirtschaftswissenschaft. Er wird als "ein Teilbereich der Unternehmensführung [definiert], der die Aufgabe hat, den im Hinblick auf die Unternehmensziele bestmöglichen Einsatz der Ressource Information zu gewährleisten"; konkret stehen die "Planung, Steuerung und Kontrolle" von Information im Mittelpunkt. (Kcremar, 2005:1)

Insofern bietet es sich an, das Konzept auf die Veranstaltungsbranche zu übertragen. Hier ist zunächst zwischen interner und externer Information zu unterscheiden. So können sich Informationen ausschließlich auf die Abläufe innerhalb des Koordinierungskreises einer Veranstaltung beziehen oder aber ein Veranstaltungsgelände betreffen, so dass diese für Besucher relevant sein können. "Die zentrale Fragestellung […] ist die nach dem Gleichgewicht zwischen Informationsangebot und -bedarf." (Kcremar, 2005:5) In diesem Kontext ist der Führungsstil der verantwortlichen Akteure von besonderer Bedeutung. Sie haben die Aufgabe, Informationen als intern, bis hin zur Vertraulichkeit, oder extern zugänglich zu kategorisieren. (Vgl. Münscher/Hormuth, 2013:189)

Erfahrungswissen

Im Zuge des Veranstaltungsmanagements sollte grundsätzlich auf Erfahrungswissen von solchen Behörden und Akteuren zurückgegriffen werden, die vergleichbare Veranstaltungen im In- und Ausland bereits durchgeführt haben. Dabei ist zu beachten, dass Konzepte von vergleichbaren Veranstaltungen in der Regel aufgrund abweichender Kontextbedingungen (z.B. Anbindung des Veranstaltungsgeländes an die Verkehrsinfrastruktur, Verhältnis von Indoor- [z.B. Zelte] und Outdoor-Anteilen) nicht generell übertragbar sind. Zur Generierung von Erfahrungswissen sollten Beobachtungen vergleichbarer Veranstaltungen durchgeführt werden. Darüber hinaus können Erfahrungswerte zum Veranstaltungsmanagement im Rahmen akteursspezifischer sowie akteursübergreifender Aus- und Fortbildungsveranstaltungen gewonnen werden.

Zusätzlich zu praktischen Erfahrungen bilden die Konzipierung und Durchführung akteursübergreifender Übungen eine zentrale Grundlage für die Schaffung einer gemeinsamen Wissensbasis.

Im Rahmen entsprechender Übungen

  • kann das Zusammenwirken aller Beteiligten und in das Veranstaltungsmanagement eingebundenen Akteure praxisnah geübt werden und es
  • können Krisenmanagementstrukturen und Konzepte (Notfallplänen etc.) getestet und ggf. optimiert werden

Grundsätzlich sollte eine Teilnahme an Übungen anderer Institutionen (wie Feuerwehr, Polizei etc.) angedacht werden.

Relevante Aspekte in den einzelnen Veranstaltungsphasen

Informationsmanagement sowie ein gelungener Umgang mit Erfahrungswissen sind im Veranstaltungskontext phasenübergreifend relevant: Die Planungs-/Umsetzungsphase dient der Informationssammlung und -bewertung sowie der Schlussfolgerung und Validitätsprüfung, also der Prüfung der Zuverlässigkeit und Herkunft von Informationen. Sämtliche Informationen sollten bei den Genehmigungsbehörden beziehungsweise der Zentralen Servicestelle gebündelt und von dort an die betreffenden Akteure geleitet werden. Informationen über geplante Veranstaltungen können insbesondere

  • vom Veranstalter,
  • gegebenenfalls über zentral geführte Veranstaltungskalender der Kommunen oder der Innenministerien sowie
  • aus den Medien (Zeitungen, Plakate, Internet etc.)

gewonnen werden.

Den Umgang mit Informationen betreffend empfiehlt sich in dieser Phase folgendes Vorgehen:

  • Veranstalter sollten die übrigen Akteure rechtzeitig über Neuerungen im Vergleich zu den Vorjahren informieren (beispielsweise im Rahmen von Informationsveranstaltungen); hierzu zählen beispielsweise die folgenden Punkte:
    • Verlagerung von Buden/Ständen
    • Umbauten auf dem Gelände
    • Schaffung neuer Aktionsflächen
    • Neue Beteiligte (beispielsweise Ordnungsdienst, Schausteller)
  • Relevante Informationswege sollten im Vorfeld unter den Akteuren abgestimmt und definiert werden.
  • Gemeinsame Einsatzbesprechungen sollten zwischen den relevanten Akteuren im Vorfeld abgestimmt werden (Turnus, Teilnehmer, Örtlichkeit, Protokollwesen etc.); die jeweils entsandten Vertreter sollten über Entscheidungsbefugnis verfügen.
  • Der Einsatz der zu nutzenden Kommunikationstechnologie sollte vorgeplant werden. Dabei ist insbesondere die Kompatibilität von Funkgeräten der eingesetzten Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben sicherzustellen; falls die Kompatibilität der Funkgeräte technisch nicht herstellbar ist, sollte der Austausch von Funkgeräten unter den Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben angedacht werden.
  • Die Verfügbarkeit und Erreichbarkeit von Ansprechpartnern auf dem Veranstaltungsgelände sollte im Vorfeld sichergestellt werden; hierzu zählt beispielsweise auch, die Erreichbarkeit von (großen) Schaustellerbetrieben zu gewährleisten.
  • Der Einsatz von Verbindungsbeamten, die unter den beteiligten Akteuren ausgetauscht werden können, sollte vorbereitet werden. Über die Verbindungsbeamten wird der Informationsfluss zwischen den jeweiligen Akteuren sichergestellt und lassen sich gemeinsam durchzuführende Maßnahmen koordinieren.
  • Zwischen den beteiligten Akteuren sollten jeweils aktuelle Kommunikationspläne zur optimalen Vernetzung bereits im Vorfeld der Veranstaltung ausgetauscht werden.
  • Generell kann im Rahmen der Planung von Veranstaltungen kann (auch bundesweit) bei anderen Akteuren (Kommunen, polizeiliche und nichtpolizeiliche Gefahrenabwehr etc.) um Hilfe, Materialien und Hinweise angefragt werden, die diese (z.B. Tag der Deutschen Einheit) oder vergleichbare (z.B. Ländertage) Veranstaltungen bereits durchgeführt haben, um auf das entsprechende Erfahrungswissen zurückzugreifen und dieses für die eigene Vorbereitung zu nutzen.
  • Bei wiederkehrenden Veranstaltungen sollte aufgrund ihres Erfahrungswissens organisationsbezogen eine personelle Kontinuität der handelnden Personen angestrebt werden; dies gilt insbesondere für die Planung der Besetzung von Schlüsselpositionen (z.B. Führungspersonal der beteiligten Akteure).
  • Die Vorbereitung kann tendenziell effizienter erfolgen, wenn sich z.B. die relevanten Akteure (Veranstalter, Security, Behörden) über mehrere Jahre gegenseitig kennengelernt und ein Vertrauensverhältnis untereinander aufgebaut haben und wissen, welche Qualifizierungen die anderen Akteure mitbringen.
  • Zentrale Erkenntnisse aus der Vorbereitungsphase sind im Hinblick auf die Schaffung einer Wissensbasis nachvollziehbar zu dokumentieren und für relevante Akteure auffindbar zu hinterlegen.

Neben dem in der Planungsphase entwickelten Vorgehen sind bezüglich des Informationsmanagements während der Durchführung einer Veranstaltung folgende Aspekte zu beachten: Zum gegenseitigen Informationsaustausch sollten zwischen den relevanten Akteuren (Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben, Veranstalter etc.) gemeinsame Besprechungen während der Veranstaltung durchgeführt werden, diese sollten grundsätzlich stattfinden:

  • unmittelbar bevor die Veranstaltung beginnt;
  • am Ende eines jeden Veranstaltungstages (z.B. Abgleich der jeweiligen Erkenntnisstände, Abstimmung evtl. Presseerklärungen/-mitteilungen) sowie
  • zu Beginn eines jeden Einsatztages mit dem besonderen Fokus auf der Auswertung des vergangenen Tages sowie der Planung des anstehenden Tages (z.B. Besuch von schutzbedürftigen Personen, risikorelevante Programmpunkte).

Über die turnusmäßig vorgeplanten Besprechungen hinaus sollten anlassbezogene Besprechungen durchgeführt werden (vor allem bei besonderen Lagen). Die jeweiligen Besprechungen sollten nach festgelegten Regeln durchgeführt werden:

  • Die Teilnehmeranzahl sollte angemessen begrenzt werden. Die entsandten Vertreter müssen für ihre Organisationen über Entscheidungsbefugnisse verfügen.
  • Die Besprechungen sollten stringent durchgeführt werden, d.h. sie sollten sich inhaltlich auf den Austausch wesentlicher Kerninformationen beschränken.
  • Zu jeder gemeinsamen Besprechung ist ein Besprechungsprotokoll anzufertigen und den Teilnehmern zuzuleiten.

Jenseits der oben genannten Besprechungsrunden sollten sich die relevanten Akteure regelmäßig und kontinuierlich (auch persönlich) gegenseitig beziehungsweise bilateral untereinander austauschen und informieren. Generell sollten die Vertreter der jeweiligen Akteure erkannte Probleme sowie ihre Entscheidungen und deren Grundlagen nachvollziehbar dokumentieren (beispielsweise über elektronische Einsatzprotokollsysteme). Zum gegenseitigen Austausch von Informationen kann auf entsprechende technische Kommunikationsmittel zurückgegriffen werden (zum Beispiel Austausch von Kommunikationsmitteln zwischen dem Veranstalter und den Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben). Zum gegenseitigen Austausch von Informationen können während der Veranstaltung Verbindungsbeamte bei den benachbarten Organisationen eingesetzt werden; zudem kann auf entsprechende Gremienstrukturen (Koordinierungs- und Sicherheitskreis, Krisenstab) zurückgegriffen werden.

Informationsmanagement ist auch in der Nachbereitung einer Veranstaltung relevant.

  • Alle Akteure sollten sich zeitnah in einer Nachbereitung zum gemeinsamen Informationsaustausch zusammenfinden.
  • Die Ergebnisse der akteursinternen Nachbereitungen sollten im Nachgang allen Akteuren verfügbar gemacht werden.

Verweise

In den folgenden Kapiteln finden sich Verweise beziehungsweise weitere konkrete Anwendungsgebiete:

Weiterführende Literatur

  • Kcremar, Helmut, Informationsmanagement, Springer, Berlin, Heidelberg, 2005
  • Münscher, Robert / Hortmuth, Julia, Vertrauensfallen im internationalen Management, Springer, Berlin, Heidelberg, 2013, Seiten 189-203




Autoren: Frank Fiedrich, Anna Schwickerath, Matthias Heilmann (Bergische Universität Wuppertal); Deutsche Hochschule der Polizei (DHPol), Fachgebiet "Polizeiliches Krisenmanagement"