Bitte beachten Sie: Diese archivierte Version des BaSiGo-Wikis wird nicht mehr aktualisiert. Das BaSiGo-Wiki wurde im Rahmen des BMBF-Forschungsprojektes 'Bausteine für die Sicherheit von Großveranstaltungen' (BaSiGo) entwickelt und stellt den Stand zum Projektende im Juni 2015 dar.

Die Rolle der Kommune als Veranstalterin

Aus BaSiGo - Bausteine für die Sicherheit von Großveranstaltungen
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I. Problem

Das Zusammenfallen von „Veranstalter“ und „genehmigender Stelle“ (=Behördenidentität) im Hinblick auf die Garantie „objektiver“ Genehmigungsbedingungen kann Schwierigkeiten aufweisen. Diese Konstellation kann sich ggfs. nachteilig auf die Transparenz des Genehmigungsprozesses, gerade in Bezug auf die Erteilung möglicher Auflagen und Nebenbestimmungen zum Genehmigungsbescheid auswirken. Bei Veranstaltungen, bei denen die Kommune gleichzeitig der Veranstalter und die genehmigende Stelle ist, kann es zu Interessenkollisionen kommen. Auflagen und Vorkehrungen, die zu beachten sind, laufen Gefahr nicht so sehr im Fokus der Behörde zu stehen, als in Fällen, in denen Veranstalter und genehmigende Stelle divergieren. Die Anforderungen und Auflagen, die eine externe Behörde an den Veranstalter stellen würde, könnten, was die Bewertungsfaktoren rund um die Genehmigung einer Großveranstaltung mit Gefährdungspotential angeht, möglicherweise bei einer Behördenidentität weniger einschneidend ausfallen.

II. Anwendungsbereich

Innerhalb des Genehmigungsverfahrens von Großveranstaltungen obliegt dem Veranstalter zuallererst die Pflicht, die Veranstaltung anzuzeigen bzw. hierfür eine Genehmigung einzuholen. In der Planungsphase sollte die größtmögliche Sorgfalt auf einen sicheren Ablauf der Veranstaltung gelegt werden. Auf Seiten des Veranstalters sollte die Planungsphase so früh wie möglich angesetzt werden, damit genügend Zeit für die Einordnung von Gefahren bleibt und die dazu notwendigen Abwehrmaßnahmen getroffen werden können. Grundlage der sicheren Planung sind die Angaben des Veranstalters. Im Zuge der Antragstellung erwarten den Veranstalter nicht nur die Auferlegung diverser Auflagen, wie etwa Brandschutz, Sanitätsdienstvorhaltung, Sicherstellen eines privaten Ordnungsdienstes, Verkehrsmaßnahmen, Immissionsschutz etc., sondern er muss auch eine genaue Analyse von Gefährdungspotentialen und ein Sicherheitskonzept ausarbeiten, welches die konkreten Gefährdungen berücksichtigt und geeignet ist, bereits im Vorfeld diese möglichst zu vermeiden oder das Risiko weitestgehend zu minimieren. Gleichzeitig muss das Sicherheitskonzept beschreiben, welche Maßnahmen zu unternehmen sind, wenn es tatsächlich zu Gefährdungen kommt. Im Idealfall achtet die für die Genehmigung bzw. Anmeldung einer Großveranstaltung zuständige Behörde auf die Einhaltung der Auflagen, die Erstellung eines Sicherheitskonzeptes und ergreift Maßnahmen bei Nichteinhaltung dieser Sicherheitsmaßnahmen.

1. Verfahrensrechtliche Konstruktion

Behörde im Sinne des § 1 Abs. 4 VwVfG ist jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung vornimmt. Im für den Veranstalter ungünstigsten Fall wird die Veranstaltung nicht genehmigt. Denn die Sicherheit von Leib und Leben der Bevölkerung ist höher zu bewerten als das wirtschaftliche Interesse des Veranstalters an der Durchführung der Großveranstaltung. Werden also einem öffentlichen Veranstalter Genehmigungen und Erlaubnisse von der Behörde eines anderen Verwaltungsträgers erteilt oder werden ihm gegenüber von einer Behörde eines anderen Verwaltungsträgers Anordnungen auf Grundlage von Vorschriften getroffen, die „an sich“ auf das Staat-Bürger-Verhältnis zugeschnitten sind, so steht nach dem bisher Gesagten fest, dass derartige Maßnahmen grundsätzlich dieselbe Rechtsnatur haben wie die Maßnahmen, die auf derselben Rechtsgrundlage gegenüber einem Bürger erlassen werden und dass sich das auf ihren Erlass gerichtete Verwaltungsverfahren insoweit i. d. R. nach den §§ 9 ff. VwVfG richtet.

2. „In-sich-Verfahren“

Diese verfahrensrechtliche Konstruktion wird allerdings teilweise für die Fälle bestritten, in denen eine Behörde auf derartiger Rechtsgrundlage eine Maßnahme gegenüber ihrem eigenen Rechtsträger erlässt, sog. „In-sich-Verfahren“. So wird etwa angenommen, dass die Erteilung einer straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis dann nicht in Betracht komme, wenn Sondernutzungen von anderen „stationes fisci“ des Baulastträgers in Anspruch genommen würden. Denn die Baulastträgerkörperschaft nutze dann die Straße für eigene Zwecke, so dass an die Stelle der Erlaubnis nur eine Verwaltungsvereinbarung der beteiligten Dienststellen trete. Entsprechend wird vielfach nur vom Vorliegen eines Verwaltungsinternums ausgegangen (das aber dieselben Rechtsfolgen wie eine „normale Festsetzung“ habe), wenn für die Marktfestsetzung nach § 69 GewO die Gemeinden zuständig sind und die Gemeinde dann letztlich bei sich selbst die Festsetzung eines Marktes beantragt. An dieser Stelle fokussiert sich dann das Problem der „Behördenidentität“ (s.o.).

III. Empfehlung

Daher ist sicherzustellen, dass das Amt, welches die Veranstaltung plant und durchführt, nicht zugleich das Koordinierungsgremium bzw. die koordinierende Stelle leitet (Vier-Augen-Prinzip). Ist die Kommune zugleich Veranstalter, ist auch sie verpflichtet, ein Sicherheitskonzept zu erstellen. Bei Identität zwischen Genehmigungsbehörde und Veranstalter sollte der Rat der zuständigen Aufsichtsbehörde in Anspruch genommen, oder auf Erfahrungen anderer Kommunen zurückgegriffen werden, die bereits ähnliche Veranstaltungen durchgeführt haben. Es besteht außerdem die Möglichkeit, Experten zur Beratung und Moderation hinzuzuziehen [1].

Rechtsdogmatisch entspricht es aber grundsätzlich allgemeiner Auffassung, dass eine Behörde jedenfalls dann, wenn sie einen gleichartigen Verwaltungsakt auch gegenüber einem Privaten hätte erlassen können, auch gegenüber dem eigenen Rechtsträger Verwaltungsakte – also Maßnahmen mit Außenwirkung – erlassen kann, und dass in derartigen „In-Sich-Verfahren“ auch die „normalen“ verwaltungsverfahrensrechtlichen Bestimmungen der §§ 9 ff. VwVfG gelten. Bezogen auf die Marktfestsetzung hat der VGH Kassel etwa ausdrücklich entschieden:

„Das Verwaltungsgericht sieht in dieser Festsetzung vielmehr zu Recht einen von der Antragstellerin mit Widerspruch und Klage angreifbaren Verwaltungsakt. Der gegenteiligen Auffassung der Antragsgegnerin, bei der Marktfestsetzung zu Gunsten der Stadt handele es sich um eine "intrakorporale Umsetzungsmaßnahme", der mangels Außenwirkung die Qualität eines Verwaltungsakts abzusprechen sei, kann nicht zugestimmt werden. Soweit keine funktionale Identität der Aufgabenerfüllung vorliegt, können Regelungen mit Außenwirkung von einer Behörde auch gegenüber dem eigenen Rechtsträger getroffen werden. Um einen solchen Fall geht es hier. Denn die Stadt handelt einerseits – bei der Marktfestsetzung – als Festsetzungsbehörde auf Grund einer ihr als Pflichtaufgabe übertragenen gesetzlichen Zuständigkeit; und sie nimmt andererseits – in der Eigenschaft als Veranstalterin, die eine Marktfestsetzung nach § 69 der Gewerbeordnung (GewO) beantragt und erhält – eine Aufgabe wahr, die, wenn sie sich ihrer nicht freiwillig auf der Grundlage ihres Selbstverwaltungsrechts annähme, ebenso gut durch einen privaten Veranstalter erfüllt werden könnte. Stellt sich für diesen die begehrte Marktfestsetzung als ein begünstigender Verwaltungsakt dar, so kann für die Stadt als Veranstalterin nichts anderes gelten. Die Dinge liegen in dieser Hinsicht ebenso wie beispielsweise bei einer Baugenehmigung, die der Gemeinde von ihrer eigenen Bauaufsichtsbehörde für ein von ihr zu verwirklichendes Bauvorhaben erteilt wird.“ [2]

In derartigen Fällen erfolgt die Bekanntgabe nach § 41 VwVfG i. d. R. durch Ausfertigung eines „normalen“ Bescheides, der dann zu den Akten des Amtes gegeben wird, das für die Umsetzung dieses Verwaltungsakts zuständig ist. Im Ergebnis unterscheiden sich damit in rechtlicher Hinsicht die Erteilung von Genehmigungen und der Erlass von Ordnungsverfügungen gegenüber dem eigenen Rechtsträger nicht wesentlich von dem Erlass entsprechender Genehmigungen und Ordnungsverfügungen gegenüber Privaten. Davon unabhängig ist die Frage zu beantworten, ob und unter welchen Voraussetzungen der Rechtsträger in derartigen Fällen Rechtsschutz gegen seine eigene Behörde erlangen kann. Dies ist ein hier nicht weiter zu behandelndes Problem der Klagebefugnis und des Rechtsschutzbedürfnisses.

Abkürzungsverzeichnis und Erläuterungen

GewO = Gewerbeordnung
VwVfG = Verwaltungsverfahrensgesetz

Literatur

Eine Reihe von Inhalten dieses Sicherheitsbausteins beruhen auf den Beiträgen in: Kugelmann (Hrsg.), Verfahrensrecht der Sicherheit von Großveranstaltungen, Baden-Baden, 1. Auflage 2015

  1. Vgl. die Empfehlungen im Orientierungsrahmen des Ministeriums für Inneres und Kommunales NRW für die kommunale Planung, Genehmigung, Durchführung und Nachbereitung von Großveranstaltungen im Freien, http://www.bezreg-arnsberg.nrw.de/themen/g/grossveranstaltungen/orientierungsrahmen.pdf, S. 12 f. (Stand: 02. Juli 2014.
  2. Vgl. VGH Kassel, Beschl. v. 3.12.2002 – 8 TG 2177/02 – juris Rn. 6 = NVwZ-RR 2003, 345.




Autoren: Saniye Öcal, Dieter Kugelmann (Deutsche Hochschule der Polizei)