Bitte beachten Sie: Diese archivierte Version des BaSiGo-Wikis wird nicht mehr aktualisiert. Das BaSiGo-Wiki wurde im Rahmen des BMBF-Forschungsprojektes 'Bausteine für die Sicherheit von Großveranstaltungen' (BaSiGo) entwickelt und stellt den Stand zum Projektende im Juni 2015 dar.

Baurecht

Aus BaSiGo - Bausteine für die Sicherheit von Großveranstaltungen
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I. Relevanz der baurechtlichen Genehmigungspflicht für Großveranstaltungen

1. Genehmigungspflicht

Das Baurecht wird durch das im Wesentlichen im BauGB geregelte bundesrechtliche Bauplanungsrecht und das landesrechtliche Bauordnungsrecht geprägt. Die Pflicht zur Genehmigung baulicher Anlagen folgt dabei aus dem Landesrecht, den Landesbauordnungen.

Aus dem Baurecht ergibt sich für Großveranstaltungen keine allgemeine baurechtliche Genehmigungspflicht. Die Großveranstaltung ist nur dann baurechtlich genehmigungsbedürftig, wenn sie mit einer baulichen Anlage in Zusammenhang steht. Bei einer Großveranstaltung ist das der Fall, wenn für sie bauliche Anlagen, wie z.B. Bühnen, errichtet wurden oder durch sie eine geänderte Nutzung einer baulichen Anlage stattfindet.

Die Genehmigungspflicht betrifft dann aber nicht die Großveranstaltung an sich, sondern die Errichtung oder Nutzungsänderung der baulichen Anlage.

Eine Nutzungsänderung liegt zum Beispiel vor, wenn eine Großveranstaltung auf der Freifläche einer Gewerbe- oder Industrieanlage („Kirmes in der alten Filzfabrik“) oder auf speziell dafür vorgesehenen Veranstaltungsflächen stattfindet. Bei Veranstaltungen auf der grünen Wiese oder auf öffentlichen Verkehrsflächen sind baurechtliche Genehmigungen dagegen nur erforderlich, sofern für diese Veranstaltung bauliche Anlagen überhaupt errichtet werden.

Wenn einzelne bauliche Anlagen genutzt oder errichtet werden, die letztlich unabhängig voneinander bestehen, sind diese ggf. einzeln zu genehmigen, so dass diese Baugenehmigungen nur einzelne Aspekte der Veranstaltung betreffen, aber nicht als Genehmigungen verstanden werden können, die sich mittelbar oder unmittelbar auf die Durchführung der Veranstaltung insgesamt beziehen; eine Konzentrationswirkung besteht in diesem Fall nicht.

2. Baugenehmigungsverfahren

Besteht ein Genehmigungserfordernis und beantragt der Veranstalter diese bei dem jeweiligen Bauordnungsamt, prüft dieses, ob das Vorhaben allen öffentlich-rechtlichen Vorgaben entspricht, ob es also insbesondere mit dem Bauordnungsrecht, dem Bauplanungsrecht und sonstigen in die Prüfung mit einzubeziehenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften vereinbar ist.

Um die Vereinbarkeit sicherzustellen, können mit der Baugenehmigung auch Nebenbestimmungen erlassen werden. Dabei ist die Reichweite der Steuerungsmöglichkeit durch die baurechtliche Genehmigung und ihrer Nebenbestimmungen auf die Gefährdungswirkung des jeweiligen Bauwerks beschränkt. Nur wenn die Veranstaltung in einer Anlage stattfindet, kann eine umfassende sicherheitsbezogene Steuerung der Veranstaltung stattfinden. Gerade bei Veranstaltungen auf öffentlichen Verkehrsflächen wie Straßen und Plätzen, die keine einheitliche Umfriedung haben, wird es dagegen regelmäßig an einer solchen Möglichkeit fehlen.

II. Bauliche Anlage

1. Begriff

Der Begriff der baulichen Anlage wird in den verschiedenen Landesbauordnungen im Wesentlichen gleich definiert. Nach § 2 Abs. 1 LBauO NRW ist die bauliche Anlage eine „(…) mit dem Erdboden verbundene, aus Bauprodukten hergestellte Anlage. Eine Verbindung mit dem Erdboden besteht auch dann, wenn die Anlage durch eigene Schwere auf dem Boden ruht oder wenn sie nach ihrem Verwendungszweck dazu bestimmt ist, überwiegend ortsfest benutzt zu werden. (…)“

Ein naturbelassenes Grundstück, das als Veranstaltungsort genutzt wird, ist an sich keine bauliche Anlage. Für den Anlagenbegriff wird eine (beabsichtigte) Veränderung der Geländeoberfläche verlangt, die über deren schlichte Nutzung hinausgeht. Dabei muss es sich um eine von Menschenhand geschaffene Anlage handeln.

2. Art und Dauer der Verbindung mit dem Erdboden

Da es genügt, dass die bauliche Anlage aufgrund ihres Eigengewichts als mit dem Erdboden verbunden gilt, unterfällt z.B. die Einzäunung eines Veranstaltungsplatzes mit einem Bauzaun dem Begriff der baulichen Anlage. Gleiches gilt für die Errichtung von Verkaufsbuden oder Baracken oder auch ortsfesten Zeltbauten. Ob die Anlage auf- und wieder abgebaut werden kann, ist für die Frage, ob die Anlage als bauliche Anlage eingeordnet werden kann, unerheblich. Entscheidend ist, dass die Anlage wegen ihres natürlichen Gewichts unverrückbar auf dem Boden haftet und kraft ihrer eigenen Schwere (jedenfalls im unzerlegten Zustand) ohne Inanspruchnahme technischer Hilfsmittel nicht fortbewegt werden kann.

Es ist gesetzlich nicht geregelt, wie lange eine Anlage bestehen muss bzw. bestehen bleiben soll, um als bauliche Anlage angesehen werden zu können und dementsprechend ein Genehmigungserfordernis hervorzurufen. Zieht man den Schutzzweck des Baurechts heran - das der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere für das Leben und die Gesundheit dienen soll - sollten auch kurzzeitige Errichtungen unter den Begriff der baulichen Anlagen fallen. Auf Grund der hohen Besucherzahlen bei Großveranstaltungen ist mit großen Gefahrenpotentialen zu rechnen, die durch geeignete und entsprechend gestaltete Umfriedungen von Veranstaltungen, die die Besucherströme beeinflussen, eingedämmt werden können.

III. Versammlungsstättenverordnung

1. Relevanz für Großveranstaltungen

In allen Bundesländern mit Ausnahme von Bremen, Hessen und Thüringen sind Versammlungsstätten¬verordnungen erlassen worden nach Vorbild der Musterverordnung über den Bau und Betrieb von Versammlungsstätten (Muster-Versammlungsstättenverordnung – MVStättV), die von der Bauministerkonferenz (Konferenz der für Städtebau, Bau- und Wohnungswesen zuständigen Minister und Senatoren der Länder [ARGEBAU]) beschlossen wurde.

Sinn und Zweck der Verordnungen ist es, die allgemeinen Anforderungen aus den Landesbauordnungen zu konkretisieren und zu präzisieren, um die Sicherheit von Veranstaltungen, bei denen eine Vielzahl von Personen anwesend ist, sowohl im Normalbetrieb als auch im Schadensfall zu gewährleisten. Einzelne Regelungen werden durchaus kritisch diskutiert.

Die Versammlungsstättenverordnungen bieten unmittelbar einen Anknüpfungspunkt zur umfassenden Regelung sicherheitsrelevanter Aspekte von Großveranstaltungen. Durch sie wurden zum einen Regelungen hinsichtlich der baulichen Anlagen getroffen – wie z.B. die Regelungen über Rettungswege. Besondere Relevanz äußern daneben die Vorschriften, die an den Betrieb der Versammlungsstätte anknüpfen und für bestimmte Veranstaltungen u.a. Brandsicherheitswachen, Brandschutzordnungen, Ordnungsdienste und Sicherheitskonzepte vorsehen.

2. Anwendungsbereich

Der Anwendungsbereich der Versammlungsstättenverordnungen erfasst nicht alle Großveranstaltungen. Nach dem jeweiligen § 2 Abs. 1 (in Berlin: § 23 Abs. 2 BetrVO Berlin) sind Versammlungsstätten „bauliche Anlagen oder Teile baulicher Anlagen, die für die gleichzeitige Anwesenheit vieler Menschen bei Veranstaltungen, insbesondere erzieherischer, wirtschaftlicher, geselliger, kultureller, künstlerischer, politischer, sportlicher oder unterhaltender Art bestimmt sind sowie Schank- und Speisewirtschaften.“

Auch hier wird erneut auf das Vorhandensein der baulichen Anlage Bezug genommen. Damit Veranstaltungen im Freien in den Anwendungsbereich fallen sind nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 der jeweiligen Versammlungsstättenverordnung (bzw. § 23 Abs. 1 lit. b BetrVO Berlin) das Vorhandensein einer Szenefläche (einer Fläche für künstlerische Darbietungen mit mehr als 20 m²) und ein Besucherbereich mit einer Kapazität von mehr als 1000 Personen notwendig. Zudem muss der Besucherbereich eben zumindest zum Teil aus einer baulichen Anlage bestehen. Denkbar ist diese Konstellation bei Großveranstaltungen, wenn ein Bühnenaufbau mit einem abgesperrten Besucherraum speziell für diese Veranstaltung aufgebaut wird.

Nicht anwendbar sind die Versammlungsstättenverordnungen also für Veranstaltungen ohne Szeneflächen, wie etwa Umzüge aber auch für Sportveranstaltungen, sofern sie nicht in Sportstadien mit mehr als 5000 Plätzen stattfinden. Fliegende Bauten sind gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 4 der Versammlungsstättenverordnungen ausdrücklich vom Anwendungsbereich ausgenommen (anders nur in Berlin). Soweit eine Bühnenanlage mit Besucherraum als fliegender Bau abgenommen wurde, entfallen auch für sie die Anforderungen der Versammlungsstättenverordnung.

3. Sicherheitskonzept

Im Sicherheitskonzept werden die grundlegenden sicherheitsrelevanten Bedingungen der Veranstaltung erfasst. Fällt die Großveranstaltung unter den Anwendungsbereich der Versammlungsstättenverordnungen, ist nach § 43 der jeweiligen Versammlungsstättenverordnung ein Sicherheitskonzept und der Einsatz eines Ordnungsdienstes erforderlich. Nach § 43 Abs. 1 der jeweiligen Versammlungsstättenverordnung ist dies der Fall, wenn die Art der Veranstaltung es erfordert.

Nach § 43 Abs. 2 der jeweiligen Versammlungsstättenverordnung hat der Betreiber „für Versammlungsstätten mit mehr als 5000 Besucherplätzen (…) im Einvernehmen mit den für Sicherheit oder Ordnung zuständigen Behörden, insbesondere der Polizei, der Feuerwehr und der Rettungsdienste, ein Sicherheitskonzept aufzustellen. Im Sicherheitskonzept sind die Mindestzahl der Kräfte des Ordnungsdienstes gestaffelt nach Besucherzahlen und Gefährdungsgrad sowie die betrieblichen Sicherheitsmaßnahmen und die allgemeinen und besonderen Sicherheitsdurchsagen festzulegen.“

Abkürzungsverzeichnis und Erläuterungen

LBauO NRW = Landesbauordnung NRW
MVStättV = Musterversammlungsstättenverordnung
BetrVO Berlin = Betriebsverordnung

Literatur

Eine Reihe von Inhalten dieses Sicherheitsbausteins beruhen auf den Beiträgen in: Kugelmann (Hrsg.), Verfahrensrecht der Sicherheit von Großveranstaltungen, Baden-Baden, 1. Auflage 2015.




Autoren: Antonia Buchmann, Dieter Kugelmann (Deutsche Hochschule der Polizei)