Bitte beachten Sie: Diese archivierte Version des BaSiGo-Wikis wird nicht mehr aktualisiert. Das BaSiGo-Wiki wurde im Rahmen des BMBF-Forschungsprojektes 'Bausteine für die Sicherheit von Großveranstaltungen' (BaSiGo) entwickelt und stellt den Stand zum Projektende im Juni 2015 dar.

Sozialisieren

Aus BaSiGo - Bausteine für die Sicherheit von Großveranstaltungen
Version vom 21. Juni 2015, 19:35 Uhr von Heilmann (Diskussion | Beiträge)
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Der Sozialisieren-Prozess einer Großveranstaltung

In der Eventphase ist das persönliche und gemeinsame Erleben der Veranstaltung, das Treffen mit Gleichgesinnten, „das Sozialisieren vor Ort“ die wesentliche Motivation des Veranstaltungsbesuchs. Die Face-to-Face-Kommunikation mit und unter den Besuchern nimmt hier die bedeutendste Rolle für den wechselseitigen Sozialisierungsprozess ein.

Wer Mit Wem Was Wie Mit welchem Effekt
Besucher Besucher, Lotsen, Dienstleister, Security, BOS (Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienst etc.) Vorbereitung und Planung des Veranstaltungsbesuchs, Organisation von Anreise, Unterkunft, Gruppen etc., Tipps und Hilfeleistungen, Orientierung vor Ort, Programm, Wetter, Verpflegung etc. Maßnahmen
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Medien
F2F-Kommunikation, Telefon, IM, Chat, Foren, Communities, Social Media, Funk, Durchsagen, Megafon, E-Mail, Websites, Apps, Notrufsäulen, nonverbale Kommunikation
reibungsloser Ablauf der Veranstaltung, adäquate Vorbereitung auf die Verhältnisse vor Ort
Künstler, Schausteller, Sportler, Moderatoren Besucher Programminhalte, Performance, Vorbereitung, Prävention, Mood Management, Verhalten auf dem Event, Hinweise etc. Maßnahmen
Durchsagen, Promotions, Events, Aktionen
Medien
Videowalls, Megafon, Social Media, Radio, Bühne, Leinwände, APPs, Merchandising, Newsletter, Zeitungen, und Fachzeitschriften
reibungsloser Ablauf der Veranstaltung, gute Stimmung unter den Besuchern
Besucher Künstler, Schausteller, Sportler Support, anfeuern, bejubeln, rezipieren Maßnahmen
-
Medien
Publikumsbereich, Fan-Utensilien und Merchandising, Social Media
gute Stimmung unter Besuchern, gutes "Veranstaltungsklima"

Darbieten

Konzert auf dem Wacken Open Air 2013

Die Darbietungen auf sind zunächst anhand in ihrer Form des

  • Perfomierens und des
  • Moderierens

zu klassifizieren. Die Künstlerdarbietungen, die Programminhalte, die Attraktionen und deren Moderation dienen der Unterhaltung und dem Mood Management [1] der Veranstaltung. Die einflussreiche Funktion und aufmerksamkeitsstarke Rolle der Künstler und Moderatoren (zum Teil nehmen diese eine Idol- und Vorbildfunktion ein) ist ein wesentlicher Faktor zur Integration und Kommunikation von zentralen Sicherheitsbelangen als auch für das Crowd Management [2]. Den Künstlern und Moderatoren stehen differenzierte Kommunikationsmittel zu Verfügung. Hier entsteht zwischen den Besuchern und den Darbietenden eine Asymmetrie in der Verfügbarkeit und Reichweite der Medien. Der Austausch zwischen Künstlern und Besuchern findet überwiegend über die Bühnenmoderation während der Darbietung statt. Hinweise, Anreize und Anstöße der Künstler sind von hoher Relevanz für das Publikum und können durch diese zielgruppengerecht, anschaulich und direkt über die Bühnen- und Lautsprecheranlangen einer breiten Besuchermenge vermittelt werden.

Wichtige Sicherheitsthemen während der Darbietungen sind:

  • Respektvoller Umgang mit Mensch und Umwelt (Gewalt, Pogen, Pyro, Müll,...)
  • Verpflegung und Kleidung (Wetterfeste Kleidung, Hygiene, Wasser, Drogen,...)
  • Aktuelle (Sicherheits-)Informationen
  • Wetter

Rezipieren

Anfeuernder Besucher während des Berlin Marathons 2013

Das Rezipieren in der Eventphase bezieht sich auf das Veranstaltungsprogramm. Hinsichtlich der Künstler-Besucher-Beziehung entwickelt sich eine parasoziale Nähe, geprägt durch die räumliche Nähe der Besucher zum Künstler und ein komplexes physisches und psychosoziales Erleben der Veranstaltung:

  • das Situationserleben
  • das Selbsterleben und
  • das Publikumserleben.

Der jeweilige Rezeptionsmodus der Besucher kann sich stark je nach Situation, Publikumsverhalten und dem individuellen Erleben unterscheiden. Je nach Rezeptionssituation und Umgebung kann die Verständlichkeit und Aufmerksamkeit bei den Veranstaltungsbesuchern stark beeinträchtigt sein, wie z.B. durch die Lautstärke der Darbietungen, das Tragen von Gehörschutz, bunte, blinkende oder auch fehlende Beleuchtung, jubelndes Publikum bis hin zu tranceähnlichen Rezeptionszuständen. Die Besucher verlieren sich der anonymen Gemeinschaft und tauchen mit all ihren Sinnen und oftmals unter Drogen und Alkoholeinfluss in die Ihnen gebotenen Darbietungen ein. Die stark fokussierte sowie eingeschränkte Wahrnehmung erfordert eine situationsabhängige (Sicherheits-)Kommunikation mit den Veranstaltungsbesuchern sowie die Auswahl von geeigneten, dem Rezeptionsverhalten angepassten Kommunikationsinstrumenten während des Veranstaltungsprogramms.
Wichtige Fragestellungen sind hier z.B.:

  • Kann die Lautstärke der Darbietungen für sicherheitsrelevante Durchsagen heruntergefahren werden?
  • Ist die Sicherheitsinformation relevanter als das Programm?
  • Ist der Kommunikator glaubwürdig?
  • Entspricht die Kommunikation der Tonalität und der Sprache der Veranstaltung?
  • Wird die Sicherheitsinformation auch unter Drogen- und Alkoholeinfluss verstanden?
  • Sind die Informationen auch bei Dunkelheit sichtbar?

Feiern

Gruppe auf der Annakirmes 2013
Campingplatz während des Chiemsee Reggae Summer 2013
Parzelle auf dem Campingplatz des Nacken Open Air 2013

Vor allem während des Events steht der Spaß an der Veranstaltung im Vordergrund. Das ausgelassene Feiern kann allerdings abrupt zum Risikofaktor werden. Viele Veranstaltungen dehnen sich über den eigentlich Bühnen- und Publikumsbereich aus. Sicherheitskommunikation ist auch außerhalb des Darbietungsbereiches notwendig damit der Spaß am Ende auch Spaß bleiben kann. Das Feiern findet im Umfeld und in der direkten Umgebung der Veranstaltungen statt. Oftmals durchdringen z.B. Bühnenmoderation, Lautsprecherdurchsagen die Außenbereiche der Veranstaltung nicht mehr, für die mediengerechte Alternativen für eine Sicherheitskommunikation integriert werden müssen. Typische Orte hierfür sind z.B.:

  • Außenzelte
  • Bierstände
  • Camping- und Übernachtungsplätze
  • Gaststätten der Umgebung
  • angrenzende Nachbarschaften und Gemeinden.

Das gemeinsame Feiern steht auch vor allem in den Außenbereichen der Veranstaltung im Vordergrund. Auf Veranstaltungen finden sich paradoxe Gemeinschaften zusammen. Meist Interessens-Gruppierungen vor Ort, Neo-Tribes, Zeltnachbarschaften etc. Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen und Abgrenzung von Anderen. Einerseits durch einen hohen Grad an Gruppenidentifikation, gemeinsamen Ritualen und andererseits durch die Abgrenzung in Form von Selbstdarstellungen. So kann es je nach Veranstaltung zu diversen Konstellationen von sehr homogenen bis zu heterogenen Besuchergruppen und Klassifizierungen der Besuchergruppen kommen. So manch ein „Campingplatzverharrer“ ist kaum auf dem Infield kommunikativ zu erreichen und die Ansprache von alkoholisierten oder fanatischen Fans differenziert sich deutlich gegenüber der restlichen (friedliebenden) Fan-Gemeinde. Hier ist eine zielgruppengerechte und z.T. individuelle Ansprache zu berücksichtigen. Hinzu kommt, dass es während dem gemeinsamen Feierns zu spezifischen Ausprägungen von Alltagsroutinen kommt. Sie werden dem situativen Veranstaltungsanlass und den Verfassungen der Besucher angepasst. Hier wird feierlich für das leibliche Wohl gesorgt, zusammen angestoßen, sich verkleidet, gezeltet oder gleich auf Schlaf verzichtet, auf alle Arten miteinander kommuniziert, sich bewegt, getanzt und ausgelassen gefeiert. Auch der Konsum von harten und weichen Drogen sowie das verweigern von diversen Alltagsroutinen (wie z.B. das Waschen) ist ein wesentlicher Bestandteil des miteinander Feierns. Unter anderem zeichnet sich das Feiern durch folgende Merkmale aus:

  • Sich Verpflegen (wie z.B. gemeinsames Essen, Grillen, Einkaufen, Trinken)
  • (harte und weiche) Drogen konsumieren

kleiden (wie z.B. Kostümierungen, Ballkleider, Fan-T-Shirt, Volkstrachten, Mülltüten)

  • kommunizieren
  • übernachten (z.B. Green-Camping, Hotelübernachtungen, Almhütten)
  • tanzen (Volkstänze, Pogen)
  • befriedigen hygienischer Bedürfnisse (Waschstationen, Dixie-WC`s)

Diese Faktoren sollten auch außerhalb des Bühnenbereichs bei der Kommunikation und der Durchführung von Sicherheitsmaßnahmen berücksichtigt werden.
Wichtige Fragestellungen sind hier:

  • Wie werden die Veranstaltungsbesucher außerhalb des Bühnen- und Publikumsbereichs informiert?
  • Wie erreicht man die Besucher in ihrer expressiven Form des Feierns?
  • Sind die Besucher in Ihrer Wahrnehmung und Handlungsfähigkeit eingeschränkt?
  • Wie kann man die Besucher im Vorfeld für die Gefahren des Feierns sensibilisieren (ohne ihnen die Vorfreude und den Spaß an der Veranstaltungen zu nehmen)?
  • Wie kann man Erfahrene Besucher dazu motivieren ihre Erfahrungen präventiv mit Erstbesuchern auszutauschen?
  • Wer ist im Umfeld und in der direkten Umgebung für die Sicherheit der Besucher verantwortlich?
  • Müssen im Umfeld besondere Maßnahmen ergriffen werden oder befinden sich hier weitere Hindernisse?

Helfen

Besucher helfen sich untereinander auf dem Wacken Open Air 2013

Wie auch in anderen Gemeinschaften leisten die Veranstaltungsbesucher sich gegenseitige Unterstützung und Hilfeleistungen. Diese Hilfeleistungen untereinander sind von einem enormen Mehrwert sollten in der Veranstaltungskultur gepflegt, unterstützt und korrigiert (z.B. Fehlinformationen, Panikmache) werden.
Wichtige gegenseitige Hilfeleistungen sind z.B.:

  • das Ausleihen Gegenständen, Werkzeug und Hilfsmittel
  • Gegenseitige Verpflegung und erste Hilfemaßnahmen
  • Emotionale Unterstützungen
  • Orientierungshilfen
  • Ausleihen
  • übermitteln
  • beistehen
  • melden
  • das Melden von Gefahrenlagen und Straftaten

Die überwiegenden Hilfebelange werden vor Ort persönlich geregelt, einige Tipps und Tricks werden aber auch in Foren und sozialen Netzwerken ausgetauscht.

Einzelnachweise

  1. Zur Einführung: Batinic, B.; Appel M.: Mood Management. In: Medienpsychologie. Heidelberg: Springer Medizin 2008, S. 117-118. Weiterführend siehe z. B.: Oliver, M. B.: Mood management and selective exposure. In: Bryant, J.; Roskos-Ewoldsen, D.; Cantor, J. (Hg.): Communication and emotion: Essays in honor of Dolf Zillmann. New York: Routledge 2012, S. 85–106.
  2. Zacherle, C.: Crowd Management – Möglichkeiten der Prävention und Intervention bei Massenpaniken am Beispiel von Fußballspielen, Public Viewing und Open-Air-Veranstaltungen. Norderstedt. Grin Verlag 2009. (Masterarbeit)




Autor: Christiane Link (Universität Siegen)