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Veranstaltungsleiter

Aus BaSiGo - Bausteine für die Sicherheit von Großveranstaltungen
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Zusammenfassung

Basierend auf den Vorgaben des § 38 der Musterversammlungsstättenverordnung (vgl. [2]) hat sich der Veranstaltungsleiter zu einem wesentlichen Akteur im Rahmen der Sicherheitsarchitektur von Veranstaltungen entwickelt. Dabei hat sich die Notwendigkeit eines Veranstaltungsleiters auch außerhalb des Geltungsbereiches der Musterversammlungsstättenverordnung (vgl. [2]) etabliert – allerdings ohne, dass es hierfür eine vergleichbare rechtliche Grundlage, ein standardisiertes Anforderungsprofil, geschweige denn eine Qualifizierung gibt. Dies ist umso relevanter, da dem Veranstaltungsleiter im Rahmen von Veranstaltungen häufig weitreichende Befugnisse und Entscheidungspflichten insbesondere in Krisen- und Notfallsituationen zugesprochen werden. Es ist daher wichtig, die Position und Funktion des Veranstaltungsleiters sorgfältig zu definieren und sämtliche Rollen und Verantwortlichkeiten im Sicherheitskonzept transparent darzustellen

Einleitung

§ 38 der Musterversammlungsstättenverordnung (vgl. [2]) besagt, dass „während des Betriebes von Versammlungsstätten (…) der Betreiber oder ein von ihm beauftragter Veranstaltungsleiter ständig anwesend sein” muss. Hieraus ergibt sich abgeleitet als Aufgabe für den Veranstaltungsleiter, die Sicherheit der Veranstaltung stellvertretend für den Betreiber zu gewährleisten. Löhr / Gröger (2010) bemerken hierzu im Kommentar zur Musterversammlungsstättenverordnung:

„Die Anwesenheitspflicht betrifft immer natürliche Personen. Ist der Betreiber keine natürliche, sondern eine juristische Person (z.B. eine GmbH), muss er sich zwingend durch einen Beauftragten vertreten lassen. Das gleiche gilt für den Veranstalter, der sich im Fall der Übernahme der Verantwortung durch einen vom Veranstalter beauftragten Veranstaltungsleiter vertreten lassen kann, bzw. dann vertreten lassen muss, wenn der Veranstalter selbst nur eine juristische Person ist.“ (vgl. [1])

Es braucht also – unabhängig von der rechtlichen Firmierung des Veranstalters - eine natürliche Person zur Umsetzung der relevanten Aufgaben und Pflichten. Hierzu heißt es im o.g. Kommentar weiter:

„Der Verordnungsgeber bezweckt mit der Anwesenheitspflicht eines beauftragten Veranstaltungsleiters die Wahrnehmung von Überwachungspflichten einschließlich der Verpflichtung, gegebenenfalls erforderliche Entscheidungen zur Sicherheit der Veranstaltung und der dabei anwesenden Personen zu treffen.“ (vgl. [1])

Leitung und Aufsicht

In Ermangelung existierender Vorgaben für die Position des Veranstaltungseiters empfiehlt sich ein Blick in themenverwandte Vorschriften, die sich mit der Thematik „Leitung und Aufsicht“ beschäftigen. Heranziehbare Verweise finden sich vor allem in den Unfallverhütungsvorschriften (vgl. [5]):

Aus der BGV C1 (jetzt: DGUV Vorschrift 17/18)[1] § 15 Leitung und Aufsicht:

Der Unternehmer darf Leitung und Aufsicht der Arbeiten in Veranstaltungs-und Produktionsstätten nur Bühnen- und Studiofachkräften übertragen.

Durchführungsanweisung (DA) zu § 15 Abs. 1:

Leitung und Aufsicht bedeuten z.B. das Überwachen, erforderlichenfalls das Beaufsichtigen (...). Das Beaufsichtigen kann auch einer geeigneten Person (Aufsicht führender) übertragen werden. Die erforderliche Qualifikation richtet sich nach dem Grad der Gefährdung des Betriebs. (...). Zu Leitung und Aufsicht gehören auch das Anordnen, Durchführen und Kontrollieren der zur jeweiligen Arbeit erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen einschließlich des Bereitstellens von Sicherheitseinrichtungen (...)

Aus der BGV C1 § 15 Leitung und Aufsicht:

(3) Mit Aufführungen, Aufnahmen und Proben darf erst begonnen werden, nachdem der Aufsicht führende die Szenenflächen freigegeben hat.

DA zu § 15 Abs. 3:

Aufsicht führender ist, wer die Durchführung von Arbeiten zu überwachen und für die arbeitssichere Ausführung zu sorgen hat. Er muss hierfür ausreichende Kenntnisse und Erfahrungen besitzen sowie weisungsbefugt sein.

Aus der BGV C1 § 15 Leitung und Aufsicht:

(2) Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, dass vor Gastspielen, Außenaufnahmen oder Nutzung der Veranstaltungs- oder Produktionsstätten durch Dritte die Zuständigkeit hinsichtlich Leitung und Aufsicht festgelegt wird.

DA zu § 15 Abs. 2:

Die Festlegung bezüglich Leitung und Aufsicht bedeutet auch die Bekanntgabe dieser Person gegenüber den Versicherten. Siehe hierzu §§ 6 und 13 der Unfallverhütungsvorschrift „Grundsätze der Prävention“ (BGV A1).

Aus der BGV A1 (jetzt: DGUV Vorschrift 1)[2] § 13 Pflichtenübertragung:

Der Unternehmer kann zuverlässige und fachkundige Personen schriftlich damit beauftragen, ihm nach den Unfallverhütungsvorschriften obliegende Aufgaben in eigener Verantwortung wahrzunehmen. Die Beauftragung muss den Verantwortungsbereich und Befugnisse festlegen und ist vom Beauftragten zu unterzeichnen. Eine Ausfertigung der Beauftragung ist ihm auszuhändigen.

Anforderungsprofil des Veranstaltungsleiters

Basierend auf dem oben Genannten lassen sich für die Position des Veranstaltungsleiters folgende Anforderungen definieren: Der Veranstaltungsleiter

  • ist fü̈r die Sicherheit der Veranstaltung und die Einhaltung der Vorschriften verantwortlich (MVStättV § 38)
  • übernimmt definierte Aufgaben in eigener Verantwortung (BGV A1 § 13)
  • muss zuverlässig & fachkundig sein (BGV A1 § 13)
  • muss ausreichende Kenntnisse und Erfahrungen haben (BGV C1 § 15)
  • verfügt über eine dem Gefährdungsgrad entsprechende Qualifikation ( BGV C1 § 15)
  • muss schriftlich beauftragt werden (BGV A1 § 13)
  • muss schriftlich festgelegte Verantwortungsbereiche und Befugnisse haben (und diese gegenzeichnen) (BGV A1 § 13)
  • stimmt Arbeit unterschiedlicher Beteiligter aufeinander ab ( BGV A1 § 16)
  • ist den Beteiligten bekannt zu geben (BGV C1 § 15)
  • kann aufgrund seiner Ausbildung, Kenntnisse und Erfahrungen sowie Kenntnis der einschlägigen Bestimmungen die ihm übertragenen Arbeiten beurteilen und mögliche Gefahren erkennen kann (DA zur BGV C1 § 15)
  • muss weisungsbefugt sein (DA zur BGV C1 § 15)

Diese Auflistung klärt nicht die Frage nach der notwendigen Qualifikation, beschreibt aber zumindest einige standardisierte Anforderungen, die im Bereich des Gesundheitsschutzes und der Arbeitssicherheit seit langem erfolgreich umgesetzt werden

Auswahl und Aufgaben des Veranstaltungsleiters

Die Rolle des Veranstaltungsleiters hat sich trotz fehlender Definition in der Veranstaltungspraxis etabliert - insbesondere aus Sicht der Notfallplanung.

Aufgaben

Zu den wesentlichen Aufgaben des Veranstaltungsleiters in der Praxis gehören:

  • Vertretung des Veranstalters,
  • Ansprechpartner für Behörden
  • Treffen von sicherheitsrelevanten Entscheidungen unter Berücksichtigung der Zuständigkeitsbereiche der polizeilichen / nicht-polizeilichen Gefahrenabwehr, z.B. bei
    • Überfüllung
    • Räumung
    • Wetterbedingter Abbruch / Unterbrechung
    • Programmunterbrechung

Auswahl

Um die oben genannten Aufgaben zielführend auszuführen, braucht es neben fundierten allgemeinen Kenntnissen insbesondere Kenntnisse der Veranstaltungsabläufe, des Veranstaltungsortes sowie der handelnden Beteiligten. Hieraus und vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen ergibt sich, dass der Veranstaltungsleiter nicht nur aufgrund einer Stellung in der Organisationshierarchie gewählt werden sollte. Ein Amtsleiter oder Aufsichtsratsvorsitzender ohne Kenntnis der Veranstaltung ist genauso wenig geeignet für die Rolle des Veranstaltungsleiters wie der Vorsitzende des Organisationskomitees, dessen Aufgabe es ist, mit Sponsoren oder der Presse in freundlicher Atmosphäre Small Talk zu halten. Der Veranstaltungsleiter muss jederzeit zur Klärung von Fragen zur Verfügung stehen und die entsprechenden Rechte haben Entscheidungen zu treffen. Ein Veranstaltungsleiter, der nicht mit den geeigneten Rechten ausgestattet ist und fürchten muss, dass seine Entscheidung in Bezug auf den Abbruch einer Veranstaltung Auswirkungen auf seine Karriere hat, ist genauso wenig geeignet, diese Rolle auszufüllen wie ein Veranstaltungsleiter, der keine hinreichende Kenntnis über die Konsequenzen seiner Entscheidung sowie mögliche Alternativen hat. Auch eine Besetzung nach Dienstplan verbietet sich: Es ist möglich, als Veranstaltungsleiter in Situationen zu geraten, die das Treffen unangenehmer und konsequenzenreicher Entscheidungen mit sich bringt – ist der Veranstaltungsleiter hierauf nicht vorbereitet oder ist er nicht bereit, Entscheidungen zu treffen, ist die Position falsch besetzt. Gute Veranstaltungsleiter verfügen nicht nur über Wissen und Können, sondern auch über hinreichend Erfahrung und den Mut, Entscheidungen zu treffen.

Anwesenheit

Idealerweise steht die Besetzung des Veranstaltungsleiters bereits in der [Grundlagen/Veranstaltungsphasen|Planungsphase] fest, so dass eine möglichst frühe Einbeziehung in die Planung möglich ist. Wenn möglich, sollte der spätere Veranstaltungsleiter in dieser Phase bereits an relevanten Meetings teilnehmen und ein Vertrauensverhältnis zu den relevant Beteiligten aufbauen. In der Praxis stellt sich regelmäßig die Frage, wann ein Veranstaltungsleiter in der Durchführungsphase anwesend sein muss. In der Musterversammlungsstättenverordnung heißt es hierzu in § 38 „während des Betriebs …“ – das heißt, sobald sich Besucher in der Versammlungsstätte befinden. Dies ist in der Praxis jedoch deutlich zu kurz angesetzt. Zum einen gibt es Veranstaltungen, die bereits einige Stunden vor dem eigentlichen Veranstaltungsbeginn Besucher anlocken (z.B. Wartende an den Einlassbereichen) und auch in diesen Phasen bereits relevante Entscheidungen erfordern. Zum anderen erfordert die Kenntnis des Veranstaltungsortes /-geländes eine ggf. umfangreiche Beschäftigung mit den Voraussetzungen – ist der Veranstaltungsleiter nur zur Veranstaltung anwesend, kann er in den meisten Fällen nicht mehr die notwendige Kenntnis über den Ort und seine etwaigen Besonderheiten erlangen. Es ist zu empfehlen, dass der für die Veranstaltung eingeplante Veranstaltungsleiter den Planungsprozess in Bezug auf die sicherheitsrelevanten Faktoren begleitet und auch bei Vorbesprechungen mit den anderen Beteiligten involviert ist. Bei mehrtägigen Veranstaltungen oder Veranstaltungen, die über die im Arbeitszeitgesetz [[3]] festgelegte erlaubte Arbeitszeit hinausgehen, kann es nötig sein, die Veranstaltungsleitung auf mehrere Personen zu verteilen. Dies ist unkritisch, solange

  • alle die gleichen rechte und Entscheidungsbefugnisse haben
  • alle über dieselben Kenntnisse und Grundlagen verfügen
  • die Aufteilung allen sicherheitsrelevant Beteiligten bekannt gemacht wird.

Für die Position des Veranstaltungsleiters muss immer ein Vertreter benannt sein.

Fazit

Nirgendwo wird der Unterschied zwischen rechtlicher Regelung und praktischer Umsetzung so deutlich wie in der Position des Veranstaltungsleiters. Es ist daher sicherzustellen, dass alle Beteiligten ein klares Bild der Aufgaben und Pflichten des Veranstaltungsleiters haben und dass die Erfüllung dieser Aufgaben und Pflichten sowohl durch eine geeignete Organisationsstruktur als auch durch eine geeignete Auswahl der Person ermöglicht werden.

Praktische Beispiele

Die folgenden Beispiele können Anhaltspunkte sein, wie die Position des Veranstalters im Sicherheitskonzept beschrieben werden kann. Sie stellen weder einen Standard noch eine Verpflichtung dar.

Beispiel 1 Die Veranstaltungsleitung liegt bei XXX, die während der Auf- und Abbauzeiten sowie während der Veranstaltungszeiten jeweils einen verantwortlichen Vertreter (= Veranstaltungsleiter) benennt. Aufgrund der Veranstaltungszeiten wird die Veranstaltungsleitung von wechselnden Personen realisiert. Ein Teil der Pflichten der Veranstaltungsleitung wird schriftlich auf einen externen Dienstleister übertragen.
Beispiel 2 Der Veranstalter stellt einen Veranstaltungsleiter, der entscheidungsbefugt für alle die Veranstaltung betreffenden Belange ist. (Anwesenheitspflicht während der Dauer der Veranstaltung). Der Veranstaltungsleiter obliegt der Kontakt zu den Sicherheitsträgern sowie zum Vertreter des Betreibers.

Literatur

  • [1] Löhr, V. u. G. Gröger (2010): Bau und Betrieb von Versammlungsstätten. Kommentar zur Muster-Versammlungsstättenverordnung (MVStättV 2005) einschließlich der darauf beruhenden landesrechtlichen Verordnungen und Verwaltungsvorschriften, 3., überarbeitete und erweiterte Auflage. Verlag Recht und Wirtschaft GmbH: Frankfurt am Main.
  • [2] Musterverordnung über den Bau und Betrieb von Versammlungsstätten (Muster-Versammlungsstättenverordnung – MVStättVO). Fassung Juni 2005 (zuletzt geändert durch Beschluss der Fachkommission Bauaufsicht vom Juli 2014).
  • [3] Verwaltungs-Berufgenossenschaft (VBG) (2010): BGV A1 Grundsätze der Prävention. Vom 1. Januar 2010 in der Fassung vom 01. Januar 2010. Verfügbar unter [4] [02.12.2014]
  • [4] Verwaltungs-Berufgenossenschaft (VBG) (2011): BGV C1 Veranstaltungs- & Produktionsstätten für szenische Darstellung. Vom 1. April 1998 mit Durchführungsanweisungen vom April 1998 Stand: Januar 2011. Verfügbar unter [5] [02.12.2014]
  • [5] Sicherheit bei Veranstaltungen und Produktionen. Leitfaden für Theater, Film, Hörfunk, Fernsehen, Konzerte, Shows, Events, Messen und Ausstellungen. ( = VBG-Fachwissen). Version 5.1/2013-09. Verfügbar unter [6] [02.12.2014]

Autor: Sabine Funk, IBIT GmbH