Bitte beachten Sie: Diese archivierte Version des BaSiGo-Wikis wird nicht mehr aktualisiert. Das BaSiGo-Wiki wurde im Rahmen des BMBF-Forschungsprojektes 'Bausteine für die Sicherheit von Großveranstaltungen' (BaSiGo) entwickelt und stellt den Stand zum Projektende im Juni 2015 dar.

Besucher

Aus BaSiGo - Bausteine für die Sicherheit von Großveranstaltungen
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Einleitung

Besucher können aus mehreren Gründen als die eigentlich wichtigste Gruppe von Akteuren im Zusammenhang mit Großveranstaltungen gelten:

  1. Ohne Besucher kommt eine Veranstaltung (als ein Zusammentreffen von Menschen[1]) gar nicht zustande. Und die Besucher sind es schließlich, die durch ihre große Anzahl Veranstaltungen erst zu Groß-Veranstaltungen – mit den typischen Herausforderungen - werden lassen.
  2. Veranstalter richten Ihr Angebot für und auf die Besucher aus; sie sind Teile der zentralen Zielgruppe, und ihr Erscheinen ist der wesentliche kritische, weil wirtschaftliche Erfolgsfaktor.[2]
  3. Und auch für die BOS geht es vom Genehmigungsverfahren über die Begleitung der Durchführung bis hin zur Nachbereitung wesentlich um die Sicherheit der Besucher. Es bedarf deshalb eigentlich keiner weiteren Begründung dafür, dass Besucher in einem Sicherheitsbaustein thematisiert werden. Dennoch sollte nicht unerwähnt bleiben, dass
  4. Besucher selber, zumal in sehr großer Zahl und in besonderer Zusammensetzung von Stimmungen, Mentalitäten, Charakteren, Gesinnungen, Altersgruppen, Ethnien etc. und abhängig von ihrer körperlich-geistigen Leistungsfähigkeit (man denke z.B. an Kinder, Senioren, Menschen mit besonderen Bedürfnissen, Kranke etc.) auch besondere Risiken für den störungsfreien Verlauf von Veranstaltungen bedeuten können[3], und dass schließlich
  5. auch Besucher Adressaten dieser Sicherheitsbausteine sind, und sich selber als mitverantwortlich für die Sicherheit und Ordnung von Großveranstaltungen verstehen sollten, weil die Herstellung und Aufrechterhaltung der Sicherheit auf Großveranstaltungen in ihrem ganzen Umfang von den Veranstaltern und Behörden allein gar nicht bewältigt werden kann ohne die aktive Mitwirkung der Besucher.

Veranstaltungen selektieren Publikum – Wer geht wohin?

In Deutschland wurden im Jahr 2014 ca. 3 Mio. Veranstaltungen angeboten, davon ca. 30.000 mit mehr als 5.000 Besuchern (Quelle: Statista). Und jede dieser Veranstaltungen ist für bestimmte Zielgruppen besonders attraktiv, zieht ein spezielles Publikum an.[4]

So zeigen sich z.B. schon für größere Kirmes-Veranstaltungen und Sport-Events im Vergleich mit Musik-Festivals sehr deutliche Unterschiede in Altersgruppen und Einzugsbereich. Während sich auf Volksfesten und Sport-Events praktisch alle Altersgruppen von Kindern bis Senioren finden (letztere gegenüber dem Bundesdurchschnitt leicht überrepräsentiert), sind Festivals eindeutig eine Sache nur für Jugendliche und junge Erwachsene bis ca. 40 Jahren; Kinder und Ältere sind hier sehr deutlich unterrepräsentiert. Und während Volksfeste überwiegend lokale und regionale Bevölkerung vor Ort und aus dem Umkreis mobilisieren, rekrutieren große Festivals und große Sport-Events ihre Besucher ganz klar überregional und national, teilweise sogar international.[5]

Auch die Veranstaltungsdauer im Verhältnis zur Verweildauer offenbart wichtige Unterschiede. Obwohl große Volksfeste gewöhnlich mehrere Tage dauern, beträgt die Verweildauer pro Besucher doch nur ca. drei Stunden. Die Besucher von Festivals reisen dagegen z.T. schon Tage vor Beginn der Veranstaltung an, bleiben während der gesamten Dauer auf dem Veranstaltungsgelände anwesend und reisen auch am Ende nicht sofort ab. Während also der Kirmesbesuch eher Ausflugscharakter hat und ein Zeitbudget wie ein Kinobesuch beansprucht, ist der Besuch von Festivals doch mit erheblichem Mehraufwand durch Anreise, Übernachtungen und Ausrüstung (Camping, Verpflegung etc.) verbunden und eher mit einem Kurzurlaub zu vergleichen. Dieser Umstand hat erhebliche Konsequenzen für das Erleben der Veranstaltungen, für die Intensität der persönlichen Vorbereitung und den Status der Events im Vergleich mit anderen Freizeitaktivitäten. Ähnlich binden auch große Sport-Events (Marathons, Nationale Meisterschaften etc.) ihr Publikum gewöhnlich für mehrere Tage.

Auch die Sozialstruktur der Besucher unterscheidet sich z.T. recht deutlich abhängig von der Veranstaltungsart.[6] Volksfeste sind gewöhnlich traditionsreiche Veranstaltungen (z.B. Schützenfeste, Feuerwehrfeste, Marktfeste, Karneval) mit entsprechender Verankerung in der lokalen und regionalen Bevölkerung. Deshalb fühlen sich ortsansässige Familien und Vereinsmitglieder in besonderer Weise angesprochen; es ist eben seit Generationen üblich, das Volksfest zu besuchen. Anders bei großen Sport-Events, bei denen sich die Besucher zu einem erheblichen Anteil als Verwandte oder Freunde der aktiven Teilnehmer und als Vereinskameraden erweisen, die als Unterstützer und Helfer mitreisen. Das in Vereinen organisierte besondere Interesse an den jeweiligen Sportarten, vor allem aber die in Form von Fan-Clubs oder Fan-Gemeinden organisierte Anhängerschaft (z.B. beim Fußball oder Motorsport) führt zum Auftreten von Gruppen in der Besucherschaft, die sich teilweise aggressiv begegnen. Die Besucher von Festivals erscheinen demgegenüber eher individualisiert oder treten in deutlich kleineren Gruppen auf und sind überweigend – sogar im Heavy Metal Genre - sehr friedlich, wie es sich auch in der bis heute lebendigen Musikfestival-Philosophie von Love & Peace ausdrückt.[7]

Für Veranstalter und Behörden ergeben sich für die Planung und Durchführung bereits aus diesen wenigen Überlegungen z.T. erhebliche Konsequenzen und Folgerungen mit Blick auf An-/Abreiseverkehre, die Anforderungen an das Veranstaltungsgelände, Übernachtungs- und Versorgungsmöglichkeiten, Betreuungs- und Vorsorgeaufwendungen (z.B. im Ordnungs- und Sanitätsbereich).

Motivationslage und Gratifikationserwartungen

Betrachtet man die Motive und Erwartungen etwas genauer, die Besucher mit der Teilnahme an Großveranstaltungen verbinden, so zeigen sich wiederum Übereinstimmungen und klare Unterschiede.

Aus Sicht der Medien- und Rezeptionsforschung sollte man den Besuch von Musikveranstaltungen, Volksfesten oder Sport-Events durchaus im Vergleich mit anderen Freizeitbeschäftigungen und Mediennutzungen betrachten. Schließlich stehen Veranstaltungsbesuche mit Blick auf Unterhaltungswert, Zeit- und Kostenbudgets auch tatsächlich in Konkurrenz zum Medienkonsum daheim und zu anderen möglichen Aktivitäten. Was also hat ein Besucher von der Veranstaltungsteilnahme? Welchen Nutzen zieht es daraus? Welche Art von Belohnung (Gratifikation) verschafft er sich dadurch? Welche Gründe benennt er dafür?

Die Medien-Gratifikationsforschung[8] hat in empirischen Studien z.B. die folgenden ´Belohnungen` für die Fernseh-Nutzung erhoben:

  • Entspannung
  • Freundschaft, Gesellschaft
  • Lernen, Wissen erweitern
  • Gewohnheit
  • Zeitvertreib
  • Selbsterkenntnis
  • Anregung
  • Alltag vergessen.


Daran anknüpfend wurde für den Besuch von Festivals (am Beispiel des Chiemsee Summer 2014) und Volksfesten (am Beispiel der Anna Kirmes 2014 in Düren) in einer eigenen explorativen Besucherbefragung die nachfolgende Gratifikationsliste vergleichend untersucht. Die Tabelle zeigt welche Gratifikationserfahrungen bzw. Gratifikationserwartungen tendenziell eher für welche Veranstaltungsart genannt wurden (fett markiert).

Antwort-Trends zu Gratifikationen für Veranstaltungsbesuch (n Chiemsee = 493; n Annakirmes = 294)

Für beide Veranstaltungsarten ist dementsprechend eine annähernd gleiche positive Grundeinstellung zum jeweiligen Event und auch eine fast gleiche Bedeutung des Veranstaltungsbesuches mit Blick auf Gemeinschaft und Geselligkeit anzusetzen. Im Abbau oder der Bewältigung von Aggression sehen beide Besuchergruppen keine Gratifikationsfunktion, was natürlich angesichts mancher Erfahrungen zu hinterfragen wäre. Allerdings ist hier auch zu beachten, dass Gratifikationserwartungen lediglich bewusste Motivationen repräsentieren.

Bei allen anderen Gratifikationen gibt es z.T. deutliche Differenzen. Für den Festival-Besuch kristallisiert sich ein Gratifikationsprofil heraus, das auch sehr gut mit dem jugendlichen Alter der Festival-Besucher korreliert (Beitrag zur Selbsterkenntnis, Alltag vergessen, Anregungen bekommen, richtig abfeiern, Gemeinschaft erleben und Kontakte knüpfen). Dieses Profil kann auch mit Blick auf die Forschungsliteratur zum Festival-Erleben als einschlägig gelten[9].

Für den Besuch von Volksfesten zeigt sich ein Gratifikationsprofil, das stärker auf Unterhaltung und Zeitvertreib, Neues (gegenüber den Vorjahren), Mitreden im sozialen Alltag, die gewohnheitsmäßige Beziehung zum ´eigenen` Fest und die Begeisterung für einzelne Attraktionen geprägt ist.

Wie die DSB-Marktstudie zu Volksfesten in Deutschland [10] das Image und die Attraktivität von Volksfesten beschreibt, wird in folgender Graphik deutlich:

DSB-Marktstudie zum Image und zur Attraktivität von Volksfesten in Deutschland

Auch hierzu kann eine gute Übereinstimmung mit dem Gratifikationsprofil aus der Befragung der Besucher der Annakirmes festgestellt werden.[11]

Auch für den Besuch von Sport-Events ist ein spezifisches Gratifikationsprofil anzunehmen. Näherungsweise können dazu Ergebnisse aus dem Sportmarketing herangezogen werden. Stefan M. Pfaff (2004) hat in einer Untersuchung zum Erlebnismarketing die folgenden Motivdimensionen für Sportzuschauer bzw. Besucher von Sport-Events angeführt:

Zuschauen Ichbezogen Im sozialen Kontext
Bezogen auf das Sporttreiben selbst Freude an sportspezifischen Bewegungsformen, Neugier, Erlebnis von Risiko, Abenteuer, Spannung, Dramatik
Selbst aktiv sein.
Miterleben der Gesamtatmosphäre des Sportereignisses
Präsentation
Bezogen auf das Ergebnis des Sporttreibens Sich identifizieren mit dem Erfolg und mitleiden im Misserfolg der Akteure.
Selbst aktiv zum Erfolg beitragen.
Prestige
Bezogen auf sportexterne Zwecke Entspannung, Zerstreuung, Abwechslung
Ausgleich
Freizeitgestaltung
Naturerlebnis
Kontakt, Anschluss
Geselligkeit, Kameradschaft
Aggression

Motivdimensionen von Sportzuschauern (nach Gabler 1998; hier nach Pfaff 2004, S.219.)


Die im Einzelnen genannten Motive lassen sich teilweise sehr gut auf die oben genannte Gratifikationsskala abbilden. Besonders hervorzuheben wären hier die sportspezifischen Formen des Involvements (selbst aktiv sein, selbst zum Erfolg beitragen, Aggression), die besondere Atmosphäre (z.B. im Stadion, im Wettkampf) sowie auch hier wieder das Kontakt- und Gemeinschaftsmotiv.

Besucher als Risiko

Grundsätzlich darf man davon ausgehen, dass Besucher für die Veranstaltungen, an denen sie teilnehmen, gewöhnlich keine besondere Gefährdung darstellen in dem Sinne, dass sie nicht vorsätzlich Störungen oder Schäden verursachen wollen, sondern einen für alle Anwesenden angenehmen und friedlichen Verlauf wünschen und sich dementsprechend verhalten. Selbstverständlich gibt es Einzelpersonen und Gruppen, für die das so nicht gilt. Im schlimmsten Fall sind das z.B. Terroristen, Amokläufer oder sonstige geistesgestörte Gewalttäter, Schläger- oder Diebesbanden. Deshalb gehört es zu den polizeilichen Aufgaben, solche Personen und Gruppen zu identifizieren und von ihren Absichten abzuhalten.

Auf mehreren Festivals, z.B. Love & Peace Festival 1970, First Rider Open Air 1977 oder Southside 2006 ist es jedoch auch zu regelrechten Krawallen und Gewaltorgien mit Brandstiftungen und schweren Sachbeschädigungen gekommen.[12] Die Gründe dafür sind jedoch in erster Linie Versäumnisse und Fehlverhalten von Veranstaltern, die Besucher getäuscht oder sogar betrogen haben oder in der Durchsetzung der Veranstaltungsordnung nicht flexibel genug reagierten.

In minder schwerwiegenden, aber dennoch ernstzunehmenden Fällen handelt es sich um Verstöße gegen Veranstaltungsordnungen, renitentes Verhalten gegenüber Ordnungskräften, leichte Sachbeschädigungen (z.B. von Geländeeinzäunungen oder Absperrungen) usw. Bei jugendlichen Festivalbesuchern zeigt sich darin oft (nur) ein Moment von Rebellion oder Subversion, dass teilweise sogar als Element des Festival-Erlebens angesehen wird[13]. Dazu gehören auch das ´schwarz` teilnehmen und die Durchdringen von Zäunen, die vorsätzliche Beschädigung und Vermüllung von Anlagen, der inzwischen weit verbreitete Trash-Jam am Veranstaltungsende.

Aber auch ansonsten friedliche Mitbürger können unter ungünstigen Bedingungen schon wegen einer Lapalie in Streit geraten, vor allem wenn Alkohol im Spiel ist. Besucher sollten daher in solchen Fällen

  • im Zweifelsfall immer und sofort Ordnungspersonal oder Polizei herbeirufen
  • selber Streitereien vermeiden
  • nicht wegschauen, sondern wirksame Hilfe organisieren
  • als unabhängige Partei frühestmöglich zur Schlichtung beitragen
  • Umstehende in Schlichtungsbemühungen einbeziehen
  • nicht selbst handgreiflich werden

Zivilcourage muss sich selbst nicht in Rambo-Manier ausdrücken, sondern beweist sich am besten darin, dass sie Hilfe wirksam organisiert.

Besucher stellen aber auch ganz ohne eigenes Zutun und ohne Vorsatz ein gewisses Risiko für einander dar, wenn sie in zu großer Anzahl auf dem Veranstaltungsgelände insgesamt oder in oft selbst gewählter Enge in speziellen Bereichen (z.B. Einlass, Bühnen) anwesend sind. Werden dann kritische Personendichten (von 4 Personen pro Quadratmeter) erreicht oder überschritten kann es zu sog. Crowd Quakes oder Crowd Collapses kommen, bei denen Menschen bewußtlos werden und unter die Füße der anderen geraten können. Ist hier eine kritische Dichte- und Bewegungs-Schwelle überschritten, kann auch das beste Crowd Management eine Katastrophe nicht mehr verhindern. Die vorausschauende Kontrolle und Regulation von Personendichten und Personenströmen ist deshalb von größter Bedeutung. Besucher können für sich und andere solche Risiken deutlich mindern, wenn sie

  • sich nur bei unkritischen Personendichten in Verdichtungszonen begeben
  • Räume und Areale bei kritischer werdenden Dichten meiden oder vorgesehenen Fluchtwegen verlassen
  • Andere über die Risiken hoher Personendichten aufklären
  • sich über Fluchtwege informieren
  • sich bei hohen Personendichten über die nächsten Fluchtwege orientieren

Das Maurer-Schema[14] berücksichtigt neben der Personendichte noch eine Reihe weiterer, im wesentlichen auf Erfahrungen beruhende Risiko-Gewichtungsfaktoren abhängig von der Art der Veranstaltung. Mit einem Wichtungsfaktor über 0,5 (der unterste Wert ist 0,1 für Reitsportveranstaltungen) werden die folgenden Veranstaltungsarten in aufsteigender Reihenfolge bewertet:

Karnevalsveranstaltung 0,7 wegen Alkoholisierung
Karnevalsumzug 0,7 wegen Alkoholisierung, Fortbewegung
Demonstration 0,8 wegen Konfrontation mit Andersdenkenden
Motorsportveranstaltung 0,8 wegen aggressiver Grundhaltung
Flugveranstaltung 0,9 wegen fliegerischer Risiken
Rockkonzert 1,0 wegen Alkohol und Drogen
Rockkonzert mit Boygroup 1,2 zusätzl. wegen Hysterisierung weiblichen Publikums

Von den hier näher betrachteten Veranstaltungsarten finden sich in dieser Liste gleich zwei Varianten, Rockkonzert und Motorsport.

Schließlich tragen auch prominente Persönlichkeiten (die des Personenschutzes bedürfen) zur Erhöhung von Gefährdungen bei, weil sich Besucher um die Plätze in deren Nähe streiten, weil zusätzliches Gedränge entsteht, weil solche Personen womöglich auch Ziele von Anschlägen sein können. Und nicht zuletzt trägt grundsätzlich jede Art von Gewaltbereitschaft bei Besuchern zur Erhöhung von Sicherheitsrisiken bei.

Risiken für Besucher – Quellen von Unsicherheit

Die bisherigen Ausführungen haben bereits eine Reihe von Risiken für die Besucher von Großveranstaltungen benannt. Tatsächlich, befragt nach den Umständen, unter denen sie sich sicher oder unsicher fühlen, nennen die Besucher (sowohl des Chiemsee Festivals als auch der Anna Kirmes) selbst andere Besucher als Grund für Unsicherheitsgefühle, und zwar an zweiter Stelle, gleich nach schwierigen Wetterverhältnissen.

Andererseits ist es (für beide Besuchergruppen) in erster Linie die Anwesenheit von Ordnungs-, Rettungs- und Sanitätsdienst sowie von Polizei und Feuerwehr, die ein Gefühl von Sicherheit vermittelt. Für manche Festival-Besucher wirkt die Präsenz von Polizei und Feuerwehr allerdings auch verunsichernd; man mag mutmaßen, warum.

Gleich danach rangiert als weiterer wichtiger Grund für gefühlte Sicherheit die eigene Erfahrung und Ausrüstung sowie danach die glaubhaft belegte Kompetenz (Erfahrung und Organisation) des Veranstalters.

Betrachtet man die Einsatzstatistiken der Sanitäts- und Rettungsdienste auf Festivals und Volksfesten, so zeigen sich als typisch z.B. Versorgungsleistungen bei Schnittverletzungen (durch das Eintreten von Glasscherben), Dehydrierung und Sonnenbrand (bei großer Hitze). Die Prävention ist simpel: Durch geeignetes Schuhwerk, wettergerechte Kleidung und das Mitführen von Getränken sind Besucher schon recht gut aufgestellt.

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Typische Packliste für Festivals.

Empfehlungen zu Bekleidung, Ausrüstung und Verhalten geben viele Veranstalter auf ihren Webseiten. Auch Polizei und Feuerwehr bieten Tips im Web, Broschüren und Flyer zum Thema an.

Auch auf anderen Websites wie Festivalguide [1] finden Besucher wertvolle Hinweise zu unterschiedlichen Risiken des Veranstaltungsbesuches.

Tipps und Tricks für Festivals.

Dort findet man auch die folgenden Hinweise der Polizei[15]:

  • Portemonnaies, EC-Karten und andere Wertsachen sollten in Gürteltaschen, den vorderen Hosentaschen oder notfalls im Hosenbund aufbewahrt werden. Gesäßtaschen sind unsicher. Diebe schneiden sie mit Rasierklingen auf oder ziehen deren Inhalt unbemerkt raus.
  • Zelte möglichst nicht unbeaufsichtigt lassen. Eventuell mit Freunden oder Bekannten im Nachbarzelt absprechen und abwechseln.
  • Viele Diebstähle ereignen sich während des Schlafens. Deshalb die Wertsachen am Körper haben, z. B. im Schlafsack.
  • Sicherer als das Zelt ist das Auto: Wertsachen, die ihr nicht auf dem Festivalgelände braucht oder die zu groß zum Mitnehmen sind, am besten im Auto deponieren.
  • Lasst alles zu Hause, was ihr nicht wirklich braucht! Vor allem die Sachen, an denen ihr besonders hängt. Diebe klauen alles.
  • Sollten doch EC-Karten geklaut worden sein, lasst diese sofort unter dem Notruf 116116 sperren.
  • Trotz aller Vorsicht – lasst euch den Festivalspaß nicht vermiesen.

Selbstverständlich bieten auch Veranstalter von Volksfesten auf ihren Webseiten Sicherheitsinformationen an. Der Internetauftritt der Anna Kirmes stellt unter dem Menuepunkt „Hinweise für Besucher“ einen Lageplan und Fluchtwegeplan, einen Hinweis zur Fluchtwegbeschilderung, Informationen zum Sanitätsdienst, zur Alarmierung, zur Kirmesordnung usw. zur Verfügung[16].

Nicht unerwähnt bleiben sollen die inzwischen zahlreichen Veranstaltungs-APPs. Exemplarisch können hier z.B. die Wiesn App für das Oktoberfest und die Wacken Open Air App stehen.

Die aktuelle App zum Oktoberfest.
Benutzeroberfläche der WOA-App 2015.

Die Wiesn-App bietet folgende Features:

In der App finden Sie Informationen zu allen großen und kleinen Bierzelten auf der Wiesn mit Zahl der Plätze und vielem mehr. Hat man sich für eines der Zelte entschieden, kann man sich mit dem Navigator der App ganz einfach zum jeweiligen Biertempel führen lassen.

Der Navigator kennt nicht nur den Weg zu den verschiedenen Zelten, sondern auch zu wichtigen Orten wie Haltestellen, Fundbüro oder Meeting Point. Wer nicht auf der Suche nach dem Bierzelt, sondern nach seinen Freunden ist, nutzt ab sofort findou: Nutzer der integrierten findou-App können sich gegenseitig für eine selbst bestimmte Zeit, die Position des jeweiligen Freundes auf dem mobilen Endgerät anzeigen lassen. Die Freundesliste erstellt sich dabei ganz bequem aus den Kontakten aus dem Adressbuch, die ebenfalls findou oder die Oktoberfest.de App installiert haben. Per Kompass oder Kartenfunktion findet man dann auch auf dem Oktoberfest ohne Probleme zueinander.

Für einen sprachlich reibungslosen Besuch auf der Wiesn sorgt das Lexikon der App. Es werden nicht nur zahlreiche Begriffe erklärt, sondern auch exemplarisch vorgesprochen, wahlweise einzeln oder in einen Satz eingebaut. Damit dürfte der Verständigung mit der Bedienung oder alteingesessenen Wiesn-Gästen nichts mehr im Wege stehen. Mit der Foto-Funktion verleiht man seinen Wiesn-Schnappschüssen einen besonderen Oktoberfest-Touch. An verstellbarer Position, wird das Oktoberfest.de-Logo eingeblendet, so dass kein Zweifel bleibt, dass es sich um eine Aufnahme von der Wiesn handelt.

Eine Riesengaudi und dabei auch noch lehrreich ist das Quiz mit Fragen zu Historie, Besonderheiten und skurrilen Begebenheiten rund um das Oktoberfest. Mit fünf Leben ausgerüstet zieht man ins Feld und sammelt unter Zeitdruck mit richtigen Antworten so viele Punkt wie möglich. Ist man mit seinem Ergebnis zufrieden, kann man damit auf Facebook, Twitter oder per SMS und E-Mail prahlen.

Für alle, die es leider nicht auf die Theresienwiese schaffen, gibt es natürlich wieder die Oktoberfest.de Webcams, auf die man auch mit der App zugreifen kann. So können Sie das festliche Treiben auf der Wirtsbudenstraße oder an der Bavaria ganz bequem von zuhause aus erfolgen.[17]

Besondere Erwähnung verdient unter Sicherheitsaspekten die Wiesn Protect App, speziell für Mädchen und Frauen [18]

Informationsverhalten von Besuchern

Wie die letzten Beispiele zeigen, hält das Internet eine Fülle von Informationen und Apps für Festivalbesucher bereit. Dabei stellt sich die Frage, ob und in welchem Maße solche Angebote von den Besuchern überhaupt genutzt werden.

Interessanterweise kann man hier, abhängig vom Veranstaltungstyp deutliche Unterschiede beobachten. So zeigen die von uns befragten Besucher des Chiemsee Summers 2014 im Vergleich mit den Besuchern der Anna Kirmes ein erheblich intensiveres und differenzierteres Informationsverhalten.

Die Festival-Besucher informieren sich bereits vor Beginn der Veranstaltung über die Übernachtungsmöglichkeiten (64%), Ausrüstung (63%), das Programmangebot (61%), die Kosten (55%) die Wetterverhältnisse (52%), Teilnahmebedingungen (51%), Termine und Zeiten (46%), den Lageplan des Geländes (45%), die Veranstaltungsgröße (44 %) und über Anreisewege (37%), um nur die Top Ten zu nennen. Bei den Kirmes-Besuchern fokussiert sich das Informationsinteresse vor dem Besuch fast ausschließlich auf das Wetter (49%) und das Programmangebot (25%); alle anderen Inhalte spielen für die Vorab-Information eine klar untergeordnete Rolle, d.h. bewegen sich im Bereich von 10 – 15% der nachfragenden Besucher.

Generell fällt auf, dass die Mehrheit der Besucher die Möglichkeiten der Vorab-Information nutzt. Das sollte als Hinweis gewertet werden, auch sicherheitskommunikative Belange in diesen Kontexten zu platzieren. Beim Informationsverhalten auf der Anreise zum Festival geht es klar um Routen und Verkehrslagen (für jeweils ca. 30% der Besucher) und für Informationen vor Ort liegen die Nutzerzahlen nochmals deutlich niedriger. Aber auch die Inhalte sind andere; dann sind Lagepläne, Umgebung, Einkaufsmöglichkeiten, Security-Fragen (Dienste und Sicherheitslage) und Warnmeldungen von Interesse.

Als Informationsquellen bzw. Medien nutzen Festival-Besucher vorab Freude und Bekannte (66%), das Internet (51%) und speziell Social Media (37%) und Apps ( 42%). Während der Veranstaltung sind es dann vor allem Programmflyer (27%), Personal vor Ort (21%), Bühnenansagen, Großbildschirme und Infostände(17% bzw. 22%).

Das Publikum der Anna Kirmes sucht generell in erheblich geringem Maße nach Informationen über das Volksfest. Die befragten Besucher liefern auch eine Erklärung dafür mit: sie kennen sich mit der Anna Kirmes seit Jahren und Jahrzehnten aus. Sie erwarten keine wesentlichen Neuerungen. Sie erfahren im Freundes und Bekanntenkreis (39%), aus der Zeitung (37%) oder dem Internet (21%), was man zur Anna Kirmes wissen muss, und das sind im wesentlichen programmliche Inhalte, die von 25% der Besucher vor Beginn der Kirmes und von 13% während der laufenden Veranstaltung nachgefragt werden.

Einzelnachweise

  1. Hier gehen wir von einem Begriff von Großveranstaltungen aus im Sinne eines 1. im Voraus geplanten und organisierten Treffens von Menschen 2. für eine im Voraus bestimmte Dauer 3. an einem im Voraus bestimmten Ort (Gebäude, Platz, Areal) 4. zu einem im Voraus bestimmten Zweck, das 5. die am Veranstaltungsort für die Veranstaltungsdauer gewöhnlich vorhandenen räumlichen, zeitlichen, personellen, materiellen und Wissens-Ressourcen potentiell überfordern würde, wenn nicht entsprechende spezielle Vorkehrungen zur Kompensation von Ressourcen-Defiziten (z.B. aufgrund und im Rahmen von Genehmigungsverfahren mit Sicherheitskonzept und Ressourcen-Nachweis) getroffen würden.
  2. Bellinghausen, Raimund 2007: Die ökonomischen und touristischen Effekte von Musikfestivals. Grin Verlag. (Diplomarbeit).
  3. Darauf stellen insbesondere H. Peter & K. Maurer 2005 ab.
  4. Den weiteren Angaben liegen eigene Erhebungen, sowie Daten aus Schrahe et al 2013 sowie Krüger & Dreyer 2004 zugrunde.
  5. Das Münchener Oktoberfest ist der Regionalität schon seit langem entwachsen und hat heute als internationaler Event mit Volksfestcharakter eine weltweite Alleinstellung.
  6. Gebhardt, Winfrid 2000: „Feste, Feiern, Events. Zur Soziologie des Außergewöhnlichen“ In: ders. et al. (Hg.), Events. Soziologie des Außergewöhnlichen. Erlebniswelten Bd. 2. Opladen, S. 17- 32.
  7. Burgwächter Till 2012: Die Wahrheit über Wacken. Verlag Andreas Reiffer.
  8. Vgl. z.B. Greenberg, B.S., 1974. „Gratifications of television viewing and their correlates for British Children.“ In: J.G. Blumler & E.Katz (Eds.) The Uses of Mass Communication: Current Perspectives on Gratifications Research. Sage, Berverly Hills, S. 71 – 92.
  9. vgl. Küchle 2010, 116 ff.; Kirchner 2011
  10. vgl. Schrahe et al. 2013
  11. Events. Soziologie des Außergewöhnlichen. Erlebniswelten Bd. 2. Opladen 2000.
  12. Koopmans, Folkert 2007: Von Musikern, Machern & Mobiltoiletten. 40 Jahre Open Air Geschichte. FKP Konzertproduktionen GmbH, Hamburg.
  13. Kirchner 2011, S. 75 ff.; Küchle 172 ff.
  14. Peter & Maurer 2005
  15. http://www.festivalguide.de/magazin/2015/02/03/behaltet-alles-beieinander/ (05.06.2015)
  16. http://www.annakirmes.de/hinweise_fuer_besucher/ (05.06.2015)
  17. http://www.oktoberfest.de/de/article/Das+Oktoberfest/Service/Die+v%C3%B6llig+neue+Oktoberfest_-3-_de+App/1344/ (05.06.2015)
  18. vgl. http://www.sicherewiesn.de/index.php/de/apps-fuers-smartphone (05-06-2015)




Autor: Gebhard Rusch (Universität Siegen)