Störung durch Zuschauerverhalten
Definition
Störungen durch Zuschauerverhalten können den geplanten Veranstaltungsablauf in erheblichem Maße beeinflussen. Zur Einschätzung der Gefährdungslage durch Besucher, sind insbesondere gesicherte Erkenntnisse über die Besucherstruktur maßgeblich, da die Störungen direkt von Teilnehmern der Veranstaltung ausgehen und eine direkte Auswirkung auf die Veranstaltung selbst haben. Die Störungen können in „nicht signifikant“, d.h. durch die am Veranstaltungsort anwesenden Einsatzkräfte und -mittel bzw. den Sicherheitsdienst zu bewältigen und „signifikant“, d.h. den normalen Veranstaltungsablauf gewichtig beeinflussend und u.U. nicht mit den vor Ort befindlichen Einsatzkräften und –mitteln der polizeilichen und nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr zu bewältigen, unterschieden werden.
Beispiele für nicht signifikante Störungen sind:
- Alkoholmissbrauch
- Drogenmissbrauch und -verkauf
- kleinere Schlägereien (Gewaltpotential)
- vereinzelter Vandalismus
- Ruhestörungen
- Überklettern von Absperrungen
- Erklettern von Aufbauten oder Straßenmobiliar
- Werfen von Gegenständen
- vereinzelte Diebstähle
- sonstige Kriminalitätsdelikte
Beispiele für signifikante Störungen sind:
- Besucherdruck und Gedränge
- Massenschlägereien (Gewaltpotential)
- Kapitaldelikte, d.h. schwere Straftaten wie Mord, schwerer Raub
- Brandstiftungen mit großflächiger Ausbreitung des Brandes
Ziel
Das Ziel der Planung muss es sein, Gefährdungen für die Sicherheit von Veranstaltungen zu verhindern bzw. zu minimieren. Im Vorfeld der Veranstaltung sind daher hinsichtlich der Einschätzung der Gefährdungslage durch Zuschauerverhalten insbesondere folgende Fragen zu klären:
- Wie lassen sich evtl. Konfliktstrukturen/Gewaltpotentiale (z.B. rivalisierende Fanszenen, Rockerproblematik, rivalisierende Jugendgruppen) beschreiben? ( Gewaltpotential)
- Mit welchem Protestpotential ist ggf. zu rechnen (z.B. bei Flugschauen, auf denen Rüstungsgüter gezeigt werden)? (Gegenveranstaltungen)
- Wie wahrscheinlich sind Alkoholmissbrauch, Betäubungsmitteldelikte und Kriminalitätsproblematiken?
Folgende Aufgabenschwerpunkte sollten insbesondere im Vorfeld einer Veranstaltung geplant werden, um die Gefährdungslage zu minimieren:
- frühzeitiges, qualifiziertes Erkennen von möglichen Gefahren und deren Ursachen
- unverzügliche Einleitung von Maßnahmen zum Schutz der Besucher
- unverzügliche, zielgerichtete Alarmierung von Kräften der Polizei, der Feuerwehr sowie des Rettungs- und Sanitätsdienstes
Grundsätzliches
Im Zuge der Planung sind insbesondere die folgenden Punkte zu klären:
- Welche möglichen Störungen bzw. Auswirkungen hieraus haben einen Einfluss auf die Durchführung der Veranstaltung?
- Welche möglichen Störungen stellen eine Straftat dar bzw. haben negative Auswirkungen auf den Ablauf der Veranstaltung (bspw. Handel und Konsum von Drogen und die daraus resultierenden Auswirkungen auf die Gesundheit der Besucher)?
- Welchen Umfang an Maßnahmen erfordern diese einzelnen Störungsszenarien?
- Welche Einsatzkräfte der Dienstleister und der Gefahrenabwehr sind über die Störung zu unterrichten?
- Wie, wann, durch wen und bei welchen Störungen erfolgt die Unterrichtung des Koordinierungskreises?
- Wie sind die Zuständigkeiten/Aufgaben der eingesetzten Kräfte der Dienstleister des Veranstalters zu beschreiben?
- Einsatzkonzepte und -gerät der Sicherheitsdienstleister sind auf Kompatibilität mit den Konzepten zuständigen Behörden zu prüfen bzw. durch den Dienstleister an die örtlichen Vorgaben anzupassen. Im Vorfeld sollte daher die Zusammenarbeit zwischen Dienstleistern und Behörden abgestimmt werden.
- Welche Durchsagen für verschiedene Störungsszenarien sind im Vorfeld der Veranstaltung abzustimmen und zu erstellen?
- Bei welchen Anlässen erfolgen welche Durchsagen und wer kommuniziert diese in welchen Sprachen?
Beispiele für den möglichen Umgang mit Störungen durch Zuschauerverhalten
Im folgenden werden Beispiele für den möglichen Umgang mit Störungen durch Zuschauerverhalten gezeigt, die eine mögliche Herangehensweise an die Problemstellung aufzeigen. Im Sicherheitskonzept sind die Störungen durch Zuschauerverhalten sowie die daraus folgenden Maßnahmen allgemein verständlich auszuformulieren. Die Beispiele erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Beispiel A | Störung: Drogenmissbrauch und -verkauf
Maßnahme: Verstärkung der Eingangskontrollen (ggf. Öffnung zusätzlicher Einlassschleusen, um keine Stauungen zu verursachen), verstärkte Streifengänge und Kontrollen des Ordnungsdienstes, ggf. entsprechende Vorbereitungen des Sanitätsdienstes, ggf. Einberufung des Koordinierungskreises, ggf. Abänderung des Showprogramms um Kontrollen zu ermöglichen (späterer Beginn) wenn sinnvoll, ggf. Information der Besucher Information: Polizei, Rettungsdienst, Sanitäts- und Ordnungsdienst, Veranstalter Sonstiges: -/ - |
Beispiel B | Störung: Besucherdruck und Gedränge
Maßnahme: Lageeinschätzung durch Einsatzleiter Polizei und Ordnungsdienst, Öffnen von Fluchtwegen, Einberufung des Koordinierungskreises, Zustrom zum betroffenen Bereich verhindern (ohne den Abstrom zu behindern), ggf. Zutritt zum Veranstaltungsgelände unterbrechen, Vorbereitung zur möglichen Räumung von Veranstaltungsbereichen, Initiierung möglicher Kompensationsmaßnahmen (bspw. zusätzliche Kräfte des Ordnungsdienstes zur Besucherlenkung, weitere Veranstaltungsbereiche freigeben), ggf. Abänderung/Verzögerung des Showprogramms , Information der Besucher (im gefährdeten Bereich, in weiteren Veranstaltungsbereichen, an den Eingängen), vorbereitende Maßnahmen zum Schutz von Menschen und Sachgütern (z.B. Herstellen der sofortigen Einsatzbereitschaft sämtlicher Kräfte des Sanitätsdienstes) Information: Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienst, Sanitäts- und Ordnungsdienst, Brandsicherheitswache, Veranstalter Sonstiges: Maßnahmen für einen Massenanfall von Verletzten (MANV) vorplanen (Öffnen von Flucht- und Rettungswegen, Freihalten von Anfahrtwegen und Verkehrsflächen im Veranstaltungsgelände etc.) |
Beispiel C | Störung: Massenschlägerei
Maßnahme: Rücksprache mit Einsatzleiter der Polizei und des Ordnungsdienstes über Lageeinschätzung, Einberufung des Koordinierungskreises, ggf. Absperrung von Veranstaltungsteilbereichen, ggf. Abänderung des Showprogramms wenn sinnvoll, ggf. Information der Besucher, Caterer und Künstler/Schausteller (Erläuterung für den Polizeieinsatz), vorbereitende Maßnahmen zum Schutz von Menschen und Sachgütern (z.B. Herstellen der sofortigen Einsatzbereitschaft sämtlicher Kräfte des Sanitätsdienstes) Information: Polizei, Rettungsdienst, Sanitäts- und Ordnungsdienst, Veranstalter Sonstiges: Maßnahmen für einen Massenanfall von Verletzten (MANV) vorplanen (Öffnen von Flucht- und Rettungswegen, Freihalten von Anfahrtwegen und Verkehrsflächen im Veranstaltungsgelände etc.) |
Weitergehende Informationen: Beispiele für Maßnahmen zur Verhinderung spezifischer nicht signifikanter und signifikanter Störungen
Störungsabhängige Maßnahmen
Alkoholmissbrauch
- gezielte Alkoholkontrollen bei Jugendlichen vorplanen (Jugendschutz)
- Ein Verbot des Mitbringens von alkoholischen Getränken auf das Veranstaltungsgelände kann angedacht werden.
- Ein generelles Glas-/Glasflaschenverbot sollte angedacht werden.
- Verpflichtung der Standbesitzer, mindestens ein günstiges alkoholfreies Getränk anzubieten.
- Einschränkung des Alkohol-Ausschanks andenken, z.B. kein Ausschank von Alkohol nach 22:00 Uhr
- Einhaltung der Bestimmungen des Jugendschutzgesetzes kontrollieren (Jugendschutz)
Betäubungsmittel-Delikte (Drogen)
- gezielte Betäubungsmittelkontrollen bei Jugendlichen vorplanen (Jugendschutz)
- Vorplanung von gezielten Kontrollen am Einlass durch den Sicherheits- und Ordnungsdienst
- Hinweise auf intensive Drogen- und Alkoholkontrollen im Vorfeld der Veranstaltung (z.B. auf Homepage des Veranstalters).
Banden-/Rockerkriminalität (Gewaltpotential)
- Bei der Gefahr des Auftretens von Rockerkriminalität und rivalisierender Rockergruppierungen sollte die Einrichtung von Waffenverbotszonen und das Verhängen von Kuttenverboten etc. angedacht werden.
- Vorplanung von Waffenkontrollen an den Eingängen durch den Sicherheits- und Ordnungsdienst
Feuerwerkskörper/„Bengalos“ (Brandgefahren, Gewaltpotential)
- Vorplanung von gezielten Kontrollen am Einlass durch den Sicherheits- und Ordnungsdienst
- Verbot des Mitbringens von „Bengalos“ und anderem Feuerwerk
PKW-Aufbrüche
- Besuchern sollten sichere, ggf. kostenpflichtige, Parkmöglichkeiten angeboten werden.
- Es sollten entsprechende Warnhinweise für die Besucher vorbereitet werden, z.B. sollten wertvolle Gegenstände wie Smartphones und Navigationsgeräte etc. nicht im Auto gelassen werden.
Ruhestörungen
- Entwicklung eines Ruhekonzepts (z.B. in „Green Camping“-Zonen)
- bereits im Vorfeld der Veranstaltung sollte auf die Anwohner zugegangen und um Verständnis geworben werden (z.B. Verteilung von Freikarten)
Schlägereien (Gewaltpotential)
- Verhinderung des Aufeinandertreffens rivalisierender Gruppen, z.B. bei Gegenveranstaltungen
- sofortiger Ausschluss vom Festival/der Veranstaltung bei gewalttätigem Verhalten und strafrechtliche Konsequenzen
(Taschen-)diebstähle
- Kommunikation von Warn- und Verhaltenshinweisen für die Besucher zu Präventionszwecken vorbereiten (Wie kann Taschendiebstahl vorgebeugt werden? Wo kann das Portemonnaie am besten aufbewahrt werden?)
- Verteilung von Sicherheitshinweisen, Lageplänen etc. über Werbetaschen, Beutel etc., die dem Besucher im Zuge des Ticket-Erwerbs zugestellt/geschenkt werden.
- Verteilung von Brustbeuteln zur Aufbewahrung von Wertsachen als Diebstahl-Präventionsmaßnahme
- Bei häufigen Diebstählen sollte angedacht werden, den Besuchern (insbesondere bei mehrtägigen Veranstaltungen) die Möglichkeit zu geben, ihre Wertgegenstände (ggf. kostenpflichtig) in Schließfächern einzuschließen, die der Veranstalter zur Verfügung stellt.
- Entwicklung/Prüfung des Beleuchtungskonzepts (Beleuchtung und Sicherheitsbeleuchtung) unter Präventionsaspekten (z.B. ausreichende Beleuchtung auf den Camping- und Zeltplätzen [Diebstahlprävention etc.])
Vandalismus (Gewaltpotential)
- sofortiger Ausschluss von der Veranstaltung bei gewalttätigem Verhalten und strafrechtliche Konsequenzen
- Einschränkung des Alkoholangebots, z.B. kein Ausschank nach 22:00 Uhr
- verstärkter Streifendienst
Verkehr
- Möglicherweise blockieren Besucher wichtige Rettungswege, daher ist eine ausreichende Beschilderung und Kennzeichnung der Wege sowie ggf. entsprechender Park- und Halteverbotszonen wichtig.
- Warnungen und Kontrollen, insbesondere bezüglich des Fahrens unter Alkohol- und/oder Drogeneinfluss (dies gilt besonders für die Abreise)
Mitführen gefährlicher Gegenstände (Gewaltpotential)
- gezielte Kontrollen am Einlass durch die Sicherheits- und Ordnungsdienst vorplanen
Störungsunabhängige Maßnahmen
Hinsichtlich der Teilnehmerkommunikation sind zur Information, Warnung sowie Kommunikation von Verhaltensregeln und -hinweisen vor allem folgende Maßnahmen vorzusehen:
- Im Vorhinein sollte der Veranstalter z.B. auf der Homepage der Veranstaltung über Verhaltensregeln informieren (z.B. Verbot für das Mitbringen von Alkohol, Verbot von Feuerwerk und „Bengalos“, Verbot von Betäubungsmitteln)
- Kommunikation von Warnhinweisen (z.B. Warnung vor [Taschen-]Diebstählen, K.O.-Tropfen, den Gefahren von Drogen [z.B. Fahren eines Fahrzeuges unter Drogeneinfluss])
- Einsatz von Lautsprecherkraftwagen zur Kommunikation mit den Teilnehmern, bspw. im Vorfeld der Abreise, vorplanen (Platzierung von Lautsprecherkraftwagen auf den Campingplätzen und Durchführung von Durchsagen: z.B. „Fahrt nicht alkoholisiert!“)
- Nutzung eines ggf. vorhandenen Veranstaltungsradios
- Rundfunkdurchsagen
- Nutzung von Social Media (z.B. Veranstaltungs-App)
- Durchführung von szenarienspezifischen Durchsagen, ggf. in diversen Sprachen
Zusätzlich soll die Festlegung einer entscheidungsbefugten Person (in der Regel ist dies der Veranstalter oder der durch ihn beauftragte Veranstaltungsleiter) für einen möglichen Abbruch einer laufenden Veranstaltung (Konfliktlösungsmechanismen) sowie der Entscheidungskriterien für einen störungsbedingten Veranstaltungsabbruch (z.B. Abbruch in Anbetracht einer Massenschlägerei mit Verletzten) festgelegt werden.
Autoren: Deutsche Hochschule der Polizei (DHPol), Fachgebiet "Polizeiliches Krisenmanagement"; Dennis Vosteen, Johannes Thomann (Feuerwehr München)