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Sicherheitsbausteine/Notfallplanung/Notfallplanung: Unterschied zwischen den Versionen

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''Bearbeiter: Sabine Funk (IBIT GmbH)''
''Bearbeiter: Sabine Funk (IBIT GmbH)''

Version vom 20. Juni 2015, 16:07 Uhr


Status: Final

Bearbeiter: Sabine Funk (IBIT GmbH)

Notfallplanung ist ein wichtiger Teil modernen Sicherheitsmanagements für Veranstaltungen, zu dem die Betrachtung sicherer Normalbetriebszustände genauso wie die von potentiellen Schadenlagen gehört.

Die Notfallplanung beschreibt dabei die Abarbeitung eines konkreten Schaden- oder Störfalles und der daraus resultierenden Konsequenzen, während die Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung des Normalbetriebs im Rahmen der Kontinuitätsplanung abgedeckt wird. Die Notfallplanung hat zahlreiche Schnittstellen zu anderen Planungsaufgaben, insbesondere zum Crowd Management, zum Risikomanagement oder zur Notfallkommunikation. Die allgemeine Notfallplanung für Veranstaltungen muss zahlreiche Maßnahmen zur Gefahrenabwehr abdecken, die grundsätzlich für Veranstaltungen jeder Art gelten. Hierzu gehören z.B. die Vorsorge für medizinische Notfälle, allgemeine Brandbekämpfungsmaßnahmen, das Zur-Verfügung-Stellen von Rettungswegkapazitäten oder das Erstellen eines Räumungs- oder Evakuierungskonzeptes. Die spezifische Notfallplanung richtet sich nach den besonderen Inhalten und Gefährdungen einer Veranstaltung, die im Rahmen einer Gefährdungsanalyse speziell für die konkrete Veranstaltung ermittelt werden müssen. Unter einem Notfallplan im Sinne der Veranstaltungssicherheit versteht man einen überorganisationalen Plan, der für die Abarbeitung vorgegebener Szenarien notwendige Schritte, Dokumente und Ressourcen, die Zusammenarbeit der beteiligten Akteure und die zeitlichen Abläufe definiert, um Schaden noch zu verhindern oder dessen Auswirkungen zu minimieren..

Einleitung

Unabhängig von der Art oder der Größe einer Veranstaltung können grundsätzlich verschiedene Ereignisfälle eintreten, welche sich insbesondere hinsichtlich des Schadensausmaßes und damit einhergehend der Komplexität der Ereignisbewältigung unterscheiden.

Bezeichnung und Definition dieser „Ereignisse“ unterscheiden sich in der allgemeinen Verwendung, daher werden für das Verständnis dieses Sicherheitsbausteins die folgenden, an den VBG Ratgeber Zwischenfall, Notfall, Katastrophe angelehnten Definitionen zugrunde gelegt (vgl. [7], S. ??):

Störung/Zwischenfall

Ereignis, das im normalen Betriebsablauf bzw. Regelbetrieb vorkommt und die Durchführung der Veranstaltung nicht signifikant beeinflusst (z.B. vermisste Person, Diebstähle, Schlägereien). Zwischenfälle werden mit den vor Ort befindlichen Kräften abgearbeitet. Zwischenfälle kommen häufig vor, haben aber nur ein geringes Schadensausmaß.

Notfall

Ein plötzliches, in der Regel unvorhersehbares, auf die Organisation / die Veranstaltung begrenztes Schadensereignis mit potentiell schwerwiegenden Folgen, welches außerordentliche Maßnahmen und rasches Eingreifen erfordert. (Unwetter, Stürme, Brand). Ein Notfall stellt eine erhebliche Gefährdung von Leben, Gesundheit, Umwelt oder sonstigen bedeutsamen Rechtsgütern dar. Notfälle können zur Unterbrechung oder zum Abbruch der Veranstaltung führen. Das Ereignis kann mit den regulär für die Schadensbewältigung vorgesehenen und vor Ort befindlichen –ggfs. auch nachgeorderten - Kräften bewältigt werden.

Katastrophe

Groß-Schadensereignis, das zu einer gegenwärtigen Gefahr für das Leben oder die Gesundheit einer Vielzahl von Menschen, für die Umwelt oder für sonstige bedeutsame Rechtsgüter führt. Die Auswirkungen sind nicht auf die Veranstaltung begrenzt. Katastrophen kommen selten vor, haben aber in der Regel ein existenzbedrohendes Schadensausmaß

In Abhängigkeit von der Ereignisentwicklung kann die zuständige Katastrophenschutzbehörde den Katastrophenfall auf Basis der jeweiligen landesgesetzlichen Regelungen feststellen (vgl. [1], S. 15)

Aus diesem Grund ist für jede Veranstaltung ein strukturierter, praxisorientierter Notfallplan notwendig, um

  • Menschen zu schützen
  • Schäden zu verringern
  • Gesetzliche Anforderungen zu erfüllen
  • Haftung zu verringern
  • Eventualitäten zu reduzieren
  • Negative mediale Aufmerksamkeit zu verringern
  • Eigene Geschäftsfähigkeit zu erhalten

Notfallplanung besteht insbesondere aus den folgenden Aufgabenbereichen (vgl. [2], S. 224):

  • Risikoanalyse bzw. Schwachstellenanalyse und Prävention von Notfällen
  • Bewältigung von Notfällen
  • Weiterführung der (im konkreten Fall für die Veranstaltung relevanten) Aufgaben
  • Rückkehr zum Normalzustand (Übergang zum Kontinuitätsmanagement)

und lässt sich in die folgenden Phasen gliedern (vgl. [7], S. 32)

  • Vorbereitung (Aufbauorganisation mit den jeweiligen Verantwortlichkeiten, Rechten und Pflichten) und Ablauforganisation (Pläne, Übungen)
  • Bewältigung (Feststellen, Informationen sammeln / auswerten, Prozedere und Maßnahmen einleiten / umsetzen
  • Nachbereitung (Dokumentation, Evaluierung, Verbesserung)

Die Erstellung von Notfallplänen hilft dabei auch, sich auf die Abarbeitung unvorhergesehener Ereignisse vorzubereiten.

Notfallplanung

Notfallplanung setzt immer abgestimmte Prozedere, vorhandene Ressourcen und geeignetes Personal voraus. Notfallpläne werden sinnvollerweise in Abstimmung mit denjenigen erarbeitet, die im Rahmen der Abwicklung des Notfalles eine relevante Rolle übernehmen. Kann dies nicht gewährleistet werden, ist durch geeignete Unterweisungen, Schulungen oder Übungen sicherzustellen, dass die Pläne allen handelnden Beteiligten in ausreichendem Maße bekannt sind. Die Abarbeitung von Notfällen sollte regelmäßig geübt und trainiert werden. Da insbesondere Übungen im Rahmen von Veranstaltungen (insbesondere einmalig stattfindenden) regelmäßig an Ressourcen scheitern, empfiehlt sich zumindest die Etablierung eines vorbereitenden Szenarien-Workshops mit allen Beteiligten.

Notfallplanung umfasst immer Maßnahmen auf den folgenden Ebenen

  • Aufbauorganisation: Festlegung von Verantwortlichkeiten, Benennung der beteiligten Personen, Vergabe Recht und Pflichten, Etablierung Gremien (z.B. Koordinierungsgruppe)
  • Ablauforganisation: erstellen von Plänen, Handlungshilfen, Checklisten, Übungen und Unterweisungen
Abbildung: eindeutige Orientierungsmöglichkeiten und abgestimmte Planunterlagen sind wichtige Hilfsmittel im Rahmen der Notfallplanung. Quelle Feuerwehr Düsseldorf / Thomas Hussmann
Abbildung: eindeutige Orientierungsmöglichkeiten und abgestimmte Planunterlagen sind wichtige Hilfsmittel im Rahmen der Notfallplanung. Quelle Feuerwehr Düsseldorf / Thomas Hussmann
Abbildung: eindeutige Orientierungsmöglichkeiten und abgestimmte Planunterlagen sind wichtige Hilfsmittel im Rahmen der Notfallplanung. Quelle Feuerwehr Düsseldorf / Thomas Hussmann

Überorganisationale Abstimmung

Die Maßnahmen der Notfallplanung müssen mit den allgemeinen und den jeweiligen organisationsspezifischen Plänen übereinstimmen bzw. abgestimmt werden. In der Praxis finden sich oft mehrere Konzepte nebeneinander: Veranstalter, Polizei und Feuerwehr erstellen jeweils eigene Notfallpläne, die häufig nicht aufeinander abgestimmt sind. Um ein reibungsloses Miteinander der Beteiligten zu gewährleisten, ist die Abstimmung der jeweiligen Pläne jedoch unabdingbar: Resiliente Notfallplanung bedeutet immer das Vorhandensein einer überorganisational abgestimmten Planung.

Ressourcen

In den meisten Fällen erfordert die Abarbeitung von Notfällen zusätzliches Personal und Material. Dies können zusätzliche Ordnungskräfte sein, die eine geordnete Räumung ermöglichen ohne dass ebenfalls durch Ordnungskräfte abgesicherte Positionen aufgegeben werden müssen, oder ein Team, das die Ersterkundung am Ort des Ereignisses unternimmt (vor dem Eintreffen der Einsatzkräfte).

Zu den notwendigen Ressourcen gehört auch das geeignete Material, um die im Rahmen der Notfallplanung vorgesehenen Maßnahmen umzusetzen (zusätzliche Absperrungen, Seitenschneider zum Öffnen von Befestigung (z.B. Sichtschutz) oder Flatterband zum schnellen Absperren von Bereichen). Zusätzliche Ressourcen können auch in Form zusätzlicher Spezialkenntnisse oder -fähigkeiten notwendig werden (z.B. Wasser- oder Höhenrettung).

Beteiligte

Das Personal, das im Rahmen der Notfallplanung eingesetzt wird, muss geeignet sein, diese Funktion auszuüben. Dies kann je nach Funktion besondere Anforderungen an Stressresistenz und Informationsverarbeitung bedeuten oder auch physische Voraussetzungen umfassen. Personal, das eine relevante Funktion bei der Abarbeitung von Notfällen hat, muss schnell verfügbar sein und steht nicht mehr für andere Aufgaben zur Verfügung – dies muss bei der Verteilung von Aufgaben berücksichtigt werden.

Unabhängig von der Funktion ist sicherzustellen, dass die Beteiligten in ihre jeweiligen Aufgaben unterwiesen und im besten Falle geübt sind. In entscheidungsrelevanten Positionen ist darüber hinaus sicherzustellen, dass die jeweiligen Personen über eine ausreichende Weisungs- und Entscheidungsbefugnis verfügen.

Bewältigung

Im Rahmen der Notfallplanung müssen für die konkrete Bewältigung des Notfalls regelmäßig die folgenden Fragen beantwortet werden:

  • Was sind die Auslöser?
  • Wie wird alarmiert / wer alarmiert?
  • Wer sind die Beteiligten?
  • Wer trägt welche Verantwortung? / Wer entscheidet was?
  • Was sind die notwendigen Schritte?
  • Wie sind die zeitlichen Abläufe?
  • Welche Hilfsmittel stehen zur Verfügung?
  • Welche Dokumente sind relevant?

Dokumentation

Die Bewältigung von Notfällen muss dokumentiert und evaluiert werden, um Verbesserungspotentiale aufzuzeigen sowohl für die Notfallplanung als auch für die mögliche Vermeidung des Ereignisses. Die Dokumentation muss zeitnah erfolgen, sinnvollerweise im Rahmen eines gemeinsamen Einsatztagebuches.

Ist dies nicht möglich, ist es dennoch wichtig, so viele Informationen wie möglich zu sammeln (z.B. durch Handyfotos mit Zeitstempel) um diese zeitnah in einer Dokumentation nachzubearbeiten.

Die Abarbeitung von Notfällen muss immer unter Einbeziehung der Sichtweise aller Beteiligten erfolgen.

Szenarien

Szenarien haben die Aufgabe, Abläufe zu definieren und Zuständigkeiten, Schnittstellen und Verantwortlichkeiten für Entscheidungen, Veranlassungen und die Umsetzung einzelner Schritte fest zu legen. Sie zeigen zeitliche Abläufe und Zusammenhänge auf und definieren notwendige Ressourcen. Die Planung von Szenarien hilft dabei auch, ungeplante Situationen auf der Basis der bestehenden Prozedere abzuarbeiten.

Zur Identifizierung der veranstaltungsspezifischen Gefährdungen müssen im Vorfeld der Veranstaltung Gefährdungsanalysen und -beurteilungen erstellt werden, die die durch die Veranstaltung entstehenden Gefährdungen identifizieren, die daraus resultierenden Risiken definieren und wirksame Risikominimierungsmaßnahmen festlegen. Diese Gefährdungsanalysen müssen sich auf alle technischen, strukturellen und organisatorischen Bereiche und Einheiten der Veranstaltungsplanung beziehen. Die thematischen Zusammenfassungen solcher Gefährdungsanalysen und der korrespondierenden Risikominimierungsmaßnahmen sind die Grundlage für die Erstellung von Szenarien, die die Abarbeitung relevanter veranstaltungsspezifischer Situationen detailliert betrachten. Szenarien sind immer dann sinnvoll, wenn ein Risiko akzeptiert wird und weitere risikominimierende Maßnahmen nicht möglich sind (z.B. „Wetter“ bei einer Open-Air Veranstaltung oder „Überfüllung“ bei einer Veranstaltung auf einer öffentlichen Fläche, für die keine Möglichkeiten der Zugangsbeschränkungen bestehen)

Zu den regelmäßigen Szenarien für Veranstaltungen gehören

  • Unwetter
  • Überfüllung von Veranstaltungsbereichen (auch lokal)
  • Medizinischer Notfall
  • Brand

Oftmals werden die Konsequenzen aus den Szenarien ebenfalls als „Szenario“ definiert: hierzu gehören regelmäßig:

Die aufgeführten Szenarien sind lediglich Beispiele und erfüllen nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Szenarien sind in hohem Maße individuell von der betrachteten Veranstaltung abhängig und müssen auf Grund einer entsprechend individuellen Gefährdungsanalyse erstellt werden. Szenarienplanung hilft dabei nicht nur, die Abarbeitung von Notfällen zu verbessern, sondern kann auch helfen, Anfälligkeiten aufzuzeigen Die klassischen Instrumente der Kontinuitätsplanung, Schadenrelevanzanalyse und Maximal Tolerierbare Ausfallzeit helfen auch in der Notfallplanung, Notwendigkeiten zu definieren.

Schadenerfahrung

Sowohl die Erstellung eines geeigneten Notfallplans, das Aufstellen von Szenarien als auch die konkrete Umsetzung scheitern häufig aufgrund mangelnder Erfahrung mit kritischen Situationen im Rahmen großer Veranstaltungen. Dies ist jedoch nötig, um Eigenheiten und Besonderheiten bestimmter Szenarien zu erkennen und geeignete Maßnahmen festzulegen.

Die Aufarbeitung von Vorfällen ist daher ein hilfreiches Instrument der Notfallplanung: unabhängig davon, ob die Veranstaltungen vergleichbar sind oder das Ereignis aktuell ist oder nicht. Das Lernen aus Ereignissen, die „den Anderen“ passiert sind, das Lernen aus Fehlern anderer ist ein wichtiges Hilfsmittel, sich selbst zu reflektieren und zu sensibilisieren. Im Vordergrund steht dabei immer die Frage „Könnte mir so etwas auch passieren?“ und „wie würde ich reagieren“. Insbesondere hilfreich ist dabei – sofern die notwendigen Informationen vorliegen - eine detaillierte, schrittweise Rekonstruktion der Abläufe. Das Erstellen eines Ablaufplans (vgl. [6]) erlaubt dabei eine Systematisierung der Kausalzusammenhänge vor, während und nach der Eskalation. Dadurch lassen sich Art und Zeitpunkt eines einzelnen Fehlers aber auch Kaskadeneffekte und Eskalationsstufen herausarbeiten, in dem die folgenden Fragen beantwortet werden:

  • Was passiert wann?
  • Wer war beteiligt?
  • Was beeinflusste was?
  • Wer beeinflusste wen?

Die rückblickende Aufarbeitung von Notfällen und das Hinterfragen von eigenen Handlungsoptionen in Bezug auf das konkrete Ereignis kann helfen, auch ohne eigene Schadenerfahrung aussagekräftige Szenarien zu erstellen. Diese Herangehensweise empfiehlt sich auch zur Aufarbeitung von eigenen Notfällen bzw. auch Beinahe-Unfällen, im Rahmen der regelmäßigen Nachbereitung, braucht hierzu jedoch eine interorganisational transparente Informationsgrundlage sowie eine geeignete Form der Dokumentation.

Literatur

  • [1] Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) (2011): BBK-Glossar. Ausgewählte zentrale Begriffe des Bevölkerungsschutzes. Bonn.
  • [2] Hofinger, Gesine/Horn, Günter (2002): Notfallplanung. Aufgaben, Anforderungen, Anregungen. In: Strohschneider, Stefan/von der Weth, Rüdiger (Hg.) (2002): Ja, mach nur einen Plan: Pannen und Fehlschläge – Ursachen, Beispiele, Lösungen. Bern: 224-239. Verfügbar unter [1] [08.04.2015]
  • [3] Swedish Civil Contingecies Agency (2011): The Event Safety Guide. Verfügbar unter [2] [08.04.2015]
  • [4] The Event Industry Forum (2014): Purple Guide to Health, Safety and Welfare at Music and other Events. Verfügbar unter [3] [08.04.2015]
  • [5] The Event Safety Alliance (2013): The Event Safety Guide. Verfügbar unter [4] [08.04.2015]
  • [6] Toft, Brian and Simon Reynolds (1994): Learning from Disasters. Oxford, UK: Butterworth-Heinmann.
  • [7] Verwaltungs Berufsgenossenschaft (2011): Zwischenfall, Notfall, Katastrophe. VBG-Fachwissen BGI 5097.